83 – 5 = Lebenserwartung von Männern

In Deutschland sterben Männer im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Die Gene sind dafür nicht hauptverantwortlich. Vor allem gesellschaftliche Bedingungen führen zu dem sogenannten Mortalitäts-Gap. Darauf wird am 10. Dezember mit dem Tag der ungleichen Lebenserwartung aufmerksam gemacht.

Jungen, die heute in Deutschland geboren werden, sterben als Männer im Alter von 78,5 Jahren. Damit haben sie eine fast 5 Jahre geringere Lebenserwartung gegenüber neugeborenen Mädchen, die 83,4 Jahre alt werden. So die Durchschnittsprognosen laut Sterbetafel 2019/20. Die Relevanz des Themas wird zunehmend auch im politischen Raum wahrgenommen. So unterstreicht Ulrike Bahr, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Familie: „Im Mittel sterben Männer etwa fünf Jahre früher als Frauen. Das liegt unter anderem daran, dass Männer durchschnittlich weniger auf Gesundheitsbelastungen körperlicher und seelischer Natur achten – vor allem jene, die dem dominant-maskulinen Rollenbild anhängen. Bauen wir solche Geschlechterklischees ab, kann das auch einen Beitrag dazu leisten, dass Männer gesünder und länger leben. Gut ist, dass dieser Prozess schon im vollen Gange ist: Denn gerade junge Männer lösen sich immer mehr von diesem nachteiligen Stereotyp. Darin kann ich sie nur ermutigen.“

Thomas Altgeld, der Vorstandsvorsitzende des Bundesforum Männer betont den politischen Handlungsbedarf und kritisiert, dass Deutschland im internationalen Vergleich bislang noch zu wenig für die Männergesundheit tut: „Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat schon vor 5 Jahren zur Verbesserung der Gesundheit von Jungen und Männern für die Region Europa eine Männergesundheitsstrategie verabschiedet. In Deutschland wurde dieser Impuls bislang nicht aufgegriffen. Länder wie Australien, Brasilien, Malaysia und Südafrika haben bereits seit vielen Jahren nationale Strategien zur Verbesserung der Männergesundheit. In Europa ist zum Beispiel Irland bereits seit 2009 in Sachen Männergesundheit stark engagiert. Andere Länder wie Dänemark haben Spezialprogramme, etwa zur Verringerung der Suizidrate. In diesen Ländern hat sich die gesundheitliche Lage der Männer seither nachweislich verbessert!“

Der Tag der ungleichen Lebenserwartung wurde vor einigen Jahren von der Stiftung Männergesundheit als Aktionstag angeregt. Dr. Dag Schölper, Geschäftsführer des Bundesforum Männer, hält mit Blick auf die Mitgliedsorganisation des Bundesforums fest: „Die Stiftung Männergesundheit macht auf ein ganz zentrales Thema aufmerksam! Gesundheit hängt genauso von der individuellen Lebensführung wie von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Insbesondere für die Gesundheit von Männern wirken sich alte Rollenanforderungen negativ aus. Deshalb ist es so wichtig, dass die Stiftung Männergesundheit deutlich auf die Missstände hinweist. Als Bundesforum Männer unterstützen wir den Aktionstag und sagen klar: Es darf nicht länger als ‚unmännlich‘ gelten, wenn sich Männer Unterstützung und Hilfe suchen. Beratung ist nicht alles. Aber Beratung für Männer kann ein Baustein sein für mehr Wohlbefinden, Zufriedenheit und Sicherheit – was auch gut für die Gesundheit ist. Darum betreiben wir das Beratungsportal männerberatungsnetz.de!“

Übersterblichkeit von Männern in fast allen Altersgruppen

Der Anteil der verstorbenen Männer ist in fast allen Altersgruppen größer als der von Frauen. Diese Übersterblichkeit der Männer zeigt sich u.a. bei Krankheiten des Kreislaufsystems, Stoffwechselkrankheiten, psychischen und Verhaltensstörungen, Unfällen, Suiziden, Suchtverhalten und Risikoverhalten.

Die Ursachen für den Mortalitäts-Gap zwischen Männern und Frauen liegen dabei nicht wie oft vermutet wird in den Genen. Entscheidenden Einfluss auf die Lebenserwartung haben vielmehr soziale Faktoren, wie Ungleichheiten in der Einkommensverteilung, in den Lebensbedingungen und gesellschaftliche Teilhabechancen oder im Verhalten und Lebensstil. Diese sind oftmals durch individuelle und gesellschaftliche Geschlechtervorstellungen und -anforderungen bestimmt. Statistiken zeigen beispielsweise, dass überlange Erwerbsarbeit v.a. von Männern geleistet wird. Die einseitige Erwerbsorientierung überlagert Selbstfürsorglichkeit und führt dazu, dass gesundheitsschädliche Stressoren (physisch wie psychisch) ignoriert werden. Die Klosterstudie schätzt den biologischen Anteil am Mortalitäts-Gap auf lediglich ein Jahr (https://www.cloisterstudy.eu/COMMS/). Die Studie wird fortlaufend mit weiblichen und männlichen Mitgliedern von Ordensgemeinschaften erstellt, in denen Männer und Frauen einen fast identischen Lebensstil pflegen, was Rückschlüsse auf biologische und andere Faktoren der Lebenserwartung beider Geschlechter zulässt.

Beim Thema Männergesundheit gibt es noch viel Luft nach oben

Als Dach- und Interessenverband für die Interessen von Jungen, Männern und Vätern steht das Bundesforum Männer gemeinsam mit seinen Mitgliedsorganisationen für eine gleichstellungsorientierte Männerpolitik, die allen Geschlechtern zugutekommt – und dabei althergebrachte Männlichkeitsbilder und Rollenklischees hinter sich lässt. Im letzten Jahr haben wir gemeinsam mit der Stiftung Männergesundheit und dem Netzwerk Jungen- und Männergesundheit das Gesundheitsmanifest „Deutschland braucht eine Männergesundheitsstrategie“ veröffentlicht. Die darin enthaltenen Forderungen haben auch am Tag der ungleichen Lebenserwartung 2022 Bestand und wir werden uns in der Bundespolitik weiter dafür einsetzen, dass Männergesundheit in der Deutschen Gesundheitspolitik kein Schattendasein mehr fristen muss.