Am 12. Mai 2022 haben unser Fachtag zum Thema Männerberatung und im Anschluss unser politischer Jahresempfang stattgefunden. Lesen Sie hier den Rückblick zu beiden Veranstaltungen.

Fachtag »Männer.Beratung«

Wer Männer gut beraten will, muss sich als Berater:in gut mit Männlichkeit und den damit verbundenen Anforderungen auskennen. Das sollte aus unserer Sicht zum Qualitätsstandard der Beratung von Männern gehören. Als Bundesforum Männer verfolgen wir das Ziel, Männer zu ermuntern, sich bei Bedarf Hilfe und Unterstützung zu holen. Dafür müssen spezifische Angebotsstrukturen für Jungen, Männer und Väter auf- und ausgebaut werden. Wir wollen zudem erreichen, dass Gender- und Männlichkeitskompetenz stärker Einzug in alle Beratungsangebote halten, in denen Männer beraten werden. Wer als Mann Hilfe sucht und annimmt, unterläuft bereits das Klischee, Männer seien nicht hilfsbedürftig oder verletzlich. Das ist eine positive Tendenz, die wir mit unserem Fachtag verstärken wollten. 

Um Männerberatung in ihrer Vielfalt sichtbar werden zu lassen, startete der Fachtag mit Einblicken in verschiedene Felder der Männerberatung. Erich Lehner vom Dachverband für Männer-, Burschen-, und Väterarbeit in Österreich (DMÖ) warf ein Schlaglicht auf verschiedene Arbeitszusammenhänge, etwa ein Beratungsprojekt für arbeitssuchende Männer, Hilfestrukturen für männliche Betroffene von Menschenhandel oder die präventive Täterarbeit im Gewaltbereich, die in Österreich mit mehreren Millionen Euro öffentlich gefördert wird. Ruth Warkentin vom FrauenComputerZentrum Berlin berichtete von einem Projekt zur Wiedereingliederung von Haftentlassenen in den Arbeitsmarkt, de facto zu einem ganz überwiegenden Teil Männer. Zudem berichtete Manfred Grassert vom Familienplanungszentrum Balance in Berlin über seine Arbeit mit Männern mit Lernbeeinträchtigungen und deren Betreuer:innen.

Im Anschluss stellte der Schweizer Kollege Markus Theunert von männer.ch Kernelemente des von ihm mit entwickelten »Orientierungsrahmens zur geschlechterreflektierten Arbeit mit Jungen, Männern und Vätern«  vor. Im Zentrum des Ansatzes steht das »Konzept der dreifachen Entwicklung«, das auf einem dynamischen Dreieck aus Unterstützen, Begrenzen und Öffnen gründet. Daran anknüpfend gab es eine fruchtbare Fishbowl-Diskussion zwischen Markus Theunert, Wolfang Rosenthal vom Verein MännerWohnHilfe aus Oldenburg und weiteren Mitdiskutierenden zur Frage, wie eine angemessene Beratungs- und Veränderungsarbeit zwischen normativen Ansprüchen und individuellen Bedarfen aussehen kann. Im Fokus stand der Aspekt des Begrenzens mit der Perspektive »was er (lernen) muss«. Kontrovers diskutiert wurde, ob und wie dieses »muss« mit einem politischen (Gleichstellungs-)Anspruch verbunden sein kann, ohne letztlich einen offenen Beratungsprozess und damit auch den Beratungszweck zu unterminieren. Die fachliche Diskussion konnte in diesem Format nicht abschließend geführt werden. Wir werden sie als Bundesforum Männer an geeigneter Stelle weiter fortführen.

Im weiteren Verlauf des Fachtags wurden mit dem Online-Portal Männerberatungsnetz und dem kostenfrei erhältlichen Leitfaden »Männer gut beraten« zwei zentrale Produkte vorgestellt, die wir als Bundesforum Männer für die weitere Verankerung und Professionalisierung von Männerberatung entwickelt haben. 

Abschließend gab es verschiedene fachpolitische Impulse zur Beratung für Männer als Teil der Daseinsvorsorge. 

Andreas Haase von der man-o-Mann Männerberatung in Bielefeld stellte das »Bundesweite Hilfetelefon Gewalt an Männern« vor, das durch die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg getragen wird. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Hilfetelefon belegen, dass großer Bedarf vorhanden ist. Neben einem Ausbau der Angebotskapazitäten und weiteren Bundesländern, die in die Finanzierung und politische Unterstützung dieser wichtigen Arbeit einsteigen, bräuchte es vor allem einen Ausbau der regionalen Beratungsstrukturen für Männer vor Ort, an die vom Hilfetelefon aus zur Weiterarbeit verwiesen werden kann. 

Frank Scheinert von der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz warb dafür, dass es auf Ebene der Bundesländer männerpolitische Richtlinien und Ansprechpartner für Männer als Teil der Gleichstellungspolitik geben müsse. Zudem sollte Männergewaltschutz als Teil einer umfassenden Gewaltschutzstrategie auf Bundes- und Landesebene etabliert werden, gemeinsam mit Frauennetzwerken und Opferschutzorganisationen und nicht in Konkurrenz zu deren Ressourcen. Bereits mit 5 Millionen Euro könnte der Männergewaltschutz bundesweit substantiell aufgebaut und in die Fläche gebracht werden. 

Stephan Buttgereit vom SKM Bundesverband machte sich für mehr Weiterbildungen zur Männerberatung stark, gerade auch in einem Feld wie der sozialen Arbeit, das mehrheitlich durch weibliche Fachkräfte geprägt ist. Zudem erinnerte er daran, dass Männer als mögliche Betroffene von häuslicher Gewalt in der »Istanbul Konvention« mit benannt seien und dies bei der weiteren Umsetzung Berücksichtigung finden müsse. Er machte zugleich deutlich, dass dies nicht zu Lasten des notwendigen Gewaltschutzes von Frauen gehen dürfe. Vielmehr müsste deutlicher werden, dass es für gleichstellungsorientierte Männerpolitik und Männerberatung einen eigenen politischen Bedarf und Nutzen gibt. Er rief dazu auf, den politischen Parteien gegenüber offensiv einzufordern, dass Männerpolitik ein ernstzunehmendes eigenständiges gleichstellungspolitisches Feld ist. In einem ersten Schritt beispielsweise durch eine Anfrage bei den Parteien nach den jeweiligen männerpolitischen Sprecher:innen.   

Taner Yüksel vom Sozialdienst muslimischer Frauen gab einen Einblick in die Väterarbeit eines muslimischen Frauenverbands. Er stellte ein Projekt vor, in dem gemeinsam mit Töchtern und Vätern gearbeitet wird. Deutlich machte er, dass es für eine migrationssensible Arbeit mit Vätern und Männern noch viele Kompetenzen und Ressourcen in der Mehrheitsgesellschaft braucht. Neben interkultureller Kompetenz seien beim Thema Vielfalt vor allem aber Sprachkompetenz und passgenaue Ansprachekonzepte ganz zentral.
 

Jahresempfang »Mehr Fortschritt wagen! Gleichstellungsorientierte Männerpolitik der Ampelkoalition«

Beim Jahresempfang standen Perspektiven einer gleichstellungsorientierten Männerpolitik in der aktuellen Legislatur im Fokus. Thomas Altgeld, Vorsitzender des Bundesforum Männer, eröffnete den Abend mit einer Standortbestimmung zum Selbstverständnis des Bundesforum Männer und einem Überblick zu verschiedenen gleichstellungspolitisch relevanten Vorhaben der Bundesregierung. In ihrem anschließenden Grußwort ging die neue Leiterin der Abteilung Gleichstellung im BMFSFJ, Frau Dr. Petra Follmar-Otto, näher auf einzelne Punkte aus dem Koalitionsvertrag ein.

Thomas Altgeld machte in seiner Einführung  deutlich, dass eine umfassende Gleichstellungspolitik Männer als Akteure und als Adressaten von Gleichstellungspolitik in den Blick nehmen muss: 1) als Unterstützer der Anliegen von Frauen, 2) hinsichtlich ihrer eigenen spezifischen Belange und Bedarfe und 3) als Teil einer gemeinsamen Bewegung für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Diese Perspektive wird  er auch in den Stiftungsbeirat der Bundesstiftung Gleichstellung einbringen, in den er für das Bundesforum Männer berufen  wurde.

Die Bundesregierung hat sich gleichstellungspolitisch viel vorgenommen mit der Weiterentwicklung einer ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie, einem Gleichstellungs-Check für künftige Gesetze und Maßnahmen und dem Ziel, den Gender Data Gap zu schließen. Thomas Altgeld betonte, dass bei all diesen Vorhaben auch Männer (und Jungen und Väter) systematisch in den Blick gehören und es begrüßenswert sei, dass eine gleichstellungsorientierte Männerpolitik als Teil der Gleichstellungspolitik der Bundesregierung im Koalitionsvertrag ausdrücklich benannt wird. Als wichtige Themenfelder und Vorhaben der Ampel-Koalition benannte Thomas Altgeld folgende Bereiche:

  1. Mehr Männer in die Sorgearbeit bringen – Vereinbarkeit für Väter fördern
  2. Partnerschaftlichkeit auch nach Trennung und Scheidung unterstützen
  3. Mehr Partnerschaftlichkeit und Caring Masculinities auch beim Thema Pflege fördern
  4. Gender-Medizin muss auch Jungen und Männer in den Blick nehmen
  5. Gewalt und Missbrauch konsequent stoppen – Gewaltprävention und Schutz für Frauen und für Männer

Die Abteilungsleiterin Frau Dr. Petra Follmar-Otto sprach in ihrem Grußwort verschiedene Punkte aus dem Koalitionsvertrags an. Männer in der Gleichstellung seien wichtig und eine gleichstellungsorientierte Männerpolitik werde gebraucht, wenn die Gleichstellung bis 2030, wie im Koalitionsvertrag als ehrgeiziges Ziel formuliert, realisiert werden soll. Als Bundesforum Männer begrüßen wir es sehr, dass

  1. die Partnermonate beim Elterngeld erhöht werden sollen und eine bezahlte Freistellung für Väter und zweite Elternteile geplant ist, wenn auch nicht bereits zum August 2022 im Rahmen der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie,
  2. das Modell gemeinsam getrennt Erziehen nach Trennung und Scheidung gestärkt werden und eine entsprechende Online-Beratungsplattform an den Start gehen soll,
  3. die Pflegezeit weiterentwickelt und eine Lohnersatzleistung bei Übernahme von Angehörigenpflege eingeführt werden soll,
  4. die Vielfalt der Familienformen rechtlich besser abgebildet werden soll, bspw. auch mit Blick auf schwule Vaterschaft,
  5. die Ausschreibung zur geschlechtervergleichenden Dunkelfeldstudie Partnerschaftsgewalt auf den Weg gebracht ist.

Als Dachverband gleichstellungsorientierter Politik für Jungen, Männer und Väter nehmen wir die Einladung uns einzubringen und einzumischen gerne an und freuen uns darauf, diese und weitere Vorhaben der Regierung konstruktiv-kritisch zu begleiten und gemeinsam voranzubringen.