th_gesundheit_1162308940Unser Gesundheitssystem ist hauptsächlich an Männern orientiert“, so ist immer wieder zu hören und zu lesen. Das stimmt – und stimmt zugleich auch nicht. Denn eine Gesundheitspolitik, die Jungen und Männer dezidiert als Jungen und Männer in den Blick nimmt, fristet nach wie vor ein Schattendasein. Tatsache ist, dass die Humanmedizin in einem „androzentrischen Gesundheitssystem ‚von und für Männer‘ wurzelt – in welchem ‚der Mann‘ den Standardpatienten, Standardprobanden und Standardarzt darstellt“. Das ist schlecht für Frauengesundheit. Das ist aber auch schlecht für alle Männer*, die von den Standarderwartungen abweichen. Tatsache ist zugleich die politische Dominanz einer schulmedizinischen Perspektive, die wichtige soziale Zusammenhänge zu wenig einbezieht, obwohl diese fraglos gesundheitsbezogene Effekte haben.

Geschlecht zu berücksichtigen, bedeutet, dass körperliche und organische Unterschiede genauso Beachtung finden müssen wie soziale. Das klingt banal, scheint aber noch nicht bis in den politischen Raum durchgedrungen zu sein. „Selbst schuld“, lautet viel zu häufig die Antwort, wenn man auf die durchschnittlich geringere Lebenserwartung von Männern hinweist, obwohl diese ganz zentral auch mit männerspezifischen Lebensumständen und Bewältigungsmustern zusammenhängt.

Als Bundesforum Männer geben wir uns damit nicht zufrieden. Wir erwarten von der Fachpolitik, dass Gendermedizin ernst genommen wird und dass darin auch die Facette Mann bzw. Männlichkeit in ihrer Vielfältigkeit systematisch einbezogen wird – bis hin zu einer regelmäßigen Berichterstattung zur Männergesundheit. Das ist nicht zuletzt Beschlusslage der WHO-Europa. Auch die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) unterstreichen den dringenden Handlungsbedarf: vorzeitige Sterblichkeit senken; psychische Gesundheit und Wohlergehen fördern; Prävention und Behandlung des Substanzmissbrauchs (Drogen und Alkohol) verstärken; Zahl der Todesfälle und Verletzungen infolge von Straßenverkehrsunfällen reduzieren. Das sind nur einige Beispiele, die für Jungen und Männer eine besondere Relevanz haben. Und jetzt im Wahlkampf zur Bundestagswahl erwarten wir von den Parteien, dass sie Problembewusstsein zeigen und Antworten auf die drängenden gesundheitspolitischen Fragen – auch für Jungen und Männer – parat haben. Die vorliegenden Wahlprogramme waren diesbezüglich leider durch die Bank enttäuschend!

Im Juni unterstützte das Bundesforum Männer einen offenen Brief an die Partei Bündnis 90/Die Grünen, um auf grundlegende Fakten zum Thema Männergesundheit aufmerksam zu machen: