Berlin | 03. Mai 2019
Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts
Das Bundesforum Männer wurde vom BMJV um Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts gebeten. Dem ist das Bundesforum Männer gern nachgekommen:
Familienrecht bildet aktuelle Familienkonstellationen nicht ausreichend ab
Das Bundesforum Männer befürwortet grundsätzlich eine Reform des Abstammungsrechts, da es die Einschätzung teilt, dass das bestehende gesetzliche Regelungsgefüge die heutzutage gelebten Familienkonstellationen nicht mehr ausreichend abbildet und – nicht zuletzt – den Interessen von Kindern und Eltern nicht ausreichend gerecht wird. Die Grundlagen, wie sie im 19. Jahrhundert im BGB konstruiert wurden, wirken bis heute fort, und bedürfen einer tiefgreifenden Reformierung.
Reformentwurf nicht zielführend
Allerdings hält das Bundesforum Männer den jetzt vorgelegten Entwurf einer „moderaten Fortentwicklung des geltenden Rechts“ nicht für zielführend, da wesentliche Konstruktionsmerkmale der ursprünglichen BGB-Regelungen lediglich fortgeschrieben werden. Diese sind aus unserer Sicht mit problematischen Vorannahmen verbunden, die nicht zu einem modernen Familien- und Abstammungsrecht für das 21. Jahrhundert passen. Hierzu gehören:
- das Primat der Ehe für eine quasi automatische rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung,
- die Alleinstellung der (Geburts-)Mutter qua Gebärvorgang,
- die Ungleichstellung von ehelich geborenen Kindern und nichtehelich geborenen Kindern,
- die systematische Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Elternschaft miteinander verheirateter (und nicht verheirateter) Männer.
Das Bundesforum Männer sieht mit Blick auf das vorliegende Reformvorhaben dringenden gesellschaftspolitischen Aushandlungsbedarf über die enge Fachdebatte innerhalb des Arbeitskreises Abstammungsrecht hinaus.
Viele offene Fragen
Ohne in rechtstechnische Details gehen zu können, scheinen uns einige zentrale Fragen im vorliegenden Entwurf bislang nicht oder zumindest nicht hinreichend geklärt:
- Wie kann Rechtssicherheit für alle beteiligten Seiten gewährleistet werden (Stichworte u.a.: Unterhaltspflichtsentbindung für Samenspender und des eine Kinderwunschbehandlung durchführenden medizinischen Personals; Erbrechtsfragen; Vaterschafts-/Mutterschaftsanfechtung)?
- Muss (rechtliche) Elternschaft tatsächlich im Kindeswohlinteresse auf zwei Personen beschränkt bleiben (Stichwort: Regenbogenfamilien; Mehreltern-Familien)?
- Läge die Möglichkeit zu einer rechtsfolgenlosen Klärung der Abstammung von einem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater, nicht im Kindes(wohl)interesse? Oder grundsätzlich: Soll den DNA-diagnostischen Möglichkeiten zur Feststellung der biologischen/ genetischen Abstammung eine Bedeutung beigemessen werden, und wenn ja, welche?
- Wie ist mit der sogenannten Leihmutterschaft angesichts der fortschreitenden fortpflanzungsmedizinischen/-technologischen Entwicklung (Stichwort: Eizellenspende) umzugehen, gerade auch um keine rechtsfreien Räume für die Ausbeutung von Notlagen zu eröffnen?
- Wie können die berechtigten Interessen von inter- und transsexuellen Personen resp. Eltern berücksichtigt werden?
- Wie sollen Missbrauchsanreize begrenzt werden, die möglicherweise durch die Ausdehnung der Möglichkeiten zur Erlangung der rechtlichen Elternschaft (Mit-Mütter) zusätzlich entstehen -> 1597a BGB in Verbindung mit § 85a Aufenthaltsgesetz (Stichworte: Zwangsprostitution; Frauenhandel) oder §60a Aufenthaltsgesetz (Stichwort: Aufenthalt; Abschiebung)?
- Wie wäre in Folge der geplanten Neuregelung des Abstammungsrechts § 1597a Abs. 5 BGB neu zu fassen („Eine Anerkennung der Vaterschaft kann nicht missbräuchlich sein, wenn der Anerkennende der leibliche Vater des anzuerkennenden Kindes ist.“)?
Breite gesellschaftliche Debatte nötig
Die Fragen der Bedeutung von Elternschaft, von Mutter- und Vaterschaft, und ihrem Verhältnis zu den rechtlichen Konstruktionen der Ehe, der (biologischen und genetischen) Abstammung sowie den kindschaftsrechtlichen Folgen müssen nach unserem Verständnis in einer breiten gesellschaftlichen Debatte bearbeitet werden. Denn es geht hierbei um ethische Grundfragen einer Gesellschaft, die aus Sicht des Bundesforum Männer als Interessenverband für Jungen, Männer und Väter nicht auf dem Wege einer rein formellen Rechtsanpassung beantwortet werden können.
Das Bundesforum Männer empfiehlt daher, dass über die aufgeworfenen Fragen zunächst eine breite gesellschaftliche Debatte angeregt und geführt wird. Zumindest aber müssten in einem Reformprozess die angeführten problematischen Vorannahmen und Fragen angemessen Berücksichtigung finden.