Das Männernetzwerk Hessen mit seinem Vorstandsmitglied Wolfgang Englert gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Bundesforum Männer, brachte sich seitdem lebhaft ein und wirkte aktiv an der Gestaltung unseres Verbands mit. Ende 2023 endet die Mitgliedschaft nach über dreizehn Jahren. Im Interview mit Dag Schölper lässt Wolfgang Englert die gemeinsame Zeit Revue passieren, erzählt Anekdoten, die ihm für immer in Erinnerung bleiben werden und gibt zugleich einen Ausblick in die Zukunft.
Dag Schölper: Wolfgang, kaum zu glauben, dass ihr Ende des Jahres das Bundesforum Männer verlasst. Was verbindest du rückblickend mit eurer Mitgliedschaft?
Wolfgang Englert: Zunächst die gute Nachricht: So ganz verlassen wir das Bundesforum nicht, da wir parallel sehr erfolgreich die LAG Väterarbeit Hessen gegründet haben, die 2022 Mitglied im Bundesforum Männer geworden ist.
Rückblickend fällt mir auf, dass seit der Gründung des Bundesforums ein Generationenwechsel stattgefunden hat. Ich bin gespannt, was eine neue Männergeneration voranbringen wird. Die Frage ist auch: Haben wir und unsere Mitstreiter einen “Change” bewirkt? Das wird weiter zu beobachten und auszuwerten sein.
Auf struktureller Ebene denke ich, dass wir eine Menge institutionelle Entwicklungserfahrung mit euch geteilt haben, insbesondere in der Kooperation zwischen den beteiligten NGOs und staatlichen Stellen. Das „Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse“ spielte dabei für mich auch eine wichtige Rolle.
Etwas Wehmut mischt sich aber natürlich auch in den Rückblick. Es war eine lange Zeit. Jetzt gilt es aber nach vorne zu schauen: Gerade die Ansätze und das Engagement jüngerer Männer und Akteure stimmen mich positiv und lassen mich akzeptieren, dass jetzt andere am Steuer sind.
„MoveMen ist für mich bis heute eine Herzensangelegenheit.“
Dag Schölper: Was waren mit Blick auf das Bundesforum Männer deine Highlights der letzten dreizehn Jahre? Mir fällt als erstes euer Engagement beim Projekt MoveMen zur Unterstützung geflüchteter Männer ein…
Wolfgang Englert: Ja klar, dieses Projekt war für mich eine Herzensangelegenheit und ist es im Grunde bis heute. Besonders spannend ist in der Rückschau, wie wir es geschafft haben, überhaupt das Vertrauen von geflüchteten Männern zu gewinnen. Wir haben gesehen, dass das Thema Scham als Schlüsselemotion zentral war. Indem wir versucht haben, den Männern dieses Gefühl zu nehmen, gelang es, überhaupt einen emotionalen Zugang zu finden. Grundlage dafür war eine intensive Begleitung der Klienten durch Einzelberatungen.
Wenn ich an die MoveMen-Zeit denke, fällt mir auch immer wieder eine schöne Geschichte aus dem Jahr 2017 ein, die ich nie vergessen werde: Ich war damals vorübergehend Pflegevater eines vierjährigen südsudanesischen Jungen, den ich mangels Betreuungsmöglichkeiten zu einem Treffen unserer Steuerungsgruppe mitnahm. Während meines Projektberichts hatte ich ihn mit Discman und Kopfhörer neben mich gesetzt. Ab der ersten Pause fingen fast alle anwesenden Männer an, sich durch Papierflieger-Falten und Ähnlichem mit dem Jungen zu beschäftigen um ihn so ‚bei Laune zu halten‘ – darunter Gunter Neubauer, Dirk Siebernik und andere. Das war ein ganz besonderer Moment. Es wäre schön zu erfahren, wie sich der Junge seit damals weiter entwickelt hat. Seit 2021 hält er sich meines Wissens in Ostafrika auf.
Dag Schölper: Gibt es noch andere Aktivitäten, an die du gerne zurückdenkst?
Wolfgang Englert: Es gibt da noch ein Bildungsvorhaben zu benennen, das bislang ziemlich unterbelichtet und während der Corona-Jahre untergegangen ist: Die musikalische Arbeit mit Stimmwechslern während des so genannten „Stimmbruchs“.
Wir hatten an der Berliner Universität für Musik und Kunst mit Prof. Kai-Uwe Jirka 2019 eine Projektskizze besprochen, die eine qualifizierte Begleitung von Jungen durch diese vulnerable Phase ermöglichen sollte, die ja auch oft schambesetzt ist. Ziel war es, dem insbesondere in Laienchören beklagenswerten Mangel an Tenor- und Bass-Stimmen nachhaltig entgegenzuwirken. Eingebracht in die Fachgruppe Väter, bekam dieses Vorhaben jedoch keine Priorität.
Dag Schölper: Gibt es Themenschwerpunkte, die du bzw. die ihr seitens des Männernetzwerks Hessen 2024 besonders in den Blick nehmen werdet?
Wolfgang Englert: Am Anfang unserer Mitgliedschaft im BFM bildete das Thema “Männer in KiTas” einen Schwerpunkt unserer Arbeit. Im Rahmen eines Forschungsprojekts stellten wir fest, dass es einen bis dahin unvermutet hohen und hochmotivierten Anteil an Männern gibt, die gerne in der Kinderbetreuung arbeiten möchten. Diese Erkenntnis floss auch in das ausgelaufene Modellprogramm “Mehr Männer in Kitas” des BMFSFJ ein.
Dieser Bereich wird uns angesichts der jüngsten PISA-Studie auch in Hessen wieder verstärkt beschäftigen. Ob uns allerdings in dieser schwierigen Zeit Erfolg gegönnt wird, hängt aber auch sehr vom zunehmenden gleichstellungsorientierten Engagement von Vätern in der Erziehung ab. Ich bin jedoch optimistisch: Unsere Fachtagung „Männer als Erziehungspartner“, die wir 2013 an der Fachhochschule Frankfurt ausgerichtet haben, zog immerhin 270 Fachkräfte an. Ich freue mich sehr, dass es heute vielversprechende Projekte wie “Vaterwelten” von Heiner Fischer, Martin Noack und Gunter Beetz gibt, die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken. Dazu kommen auch weitere Akteure, wie z.B. gesetzliche Krankenkassen wie die Barmer, Familienbildungsstätten sowie Musik- und Grundschulen, die sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Männer einsetzen.
Auch eine seit 2013 vom Kollegen Martin Moog erstellte und fortlaufend aktualisierte Fotoausstellung „Männer als Erziehungspartner“ erfreut sich reger Nachfrage, mittlerweile auch über Hessen hinaus.
Dag Schölper: Gibt es noch weitere Themen?
Wolfgang Englert: Nach jüngsten Veränderungen im Vorstand des Männernetzwerks Hessen möchten wir die Kooperation mit migrationssensiblen Communities ausbauen. Dies auch unter dem Aspekt neuer Wege zur Fachkräftegewinnung! Und ‚last but not least‘ hoffe ich, dass eines meiner geistigen Kinder, das Vater-Kind-Format Klangohrhasen, in Zukunft fähige musikpädagogische Betreuer:innen finden wird und seine in den letzten Jahren stark zunehmende Resonanz bei jungen Vätern zu einer erfreulichen Bereicherung der Bildungslandschaft führen wird.
Dag Schölper: Danke Dir für das Gespräch und vor allem für die vielen Jahre Eurer engagierten Mitgliedschaft. Ich wünsche Dir und Euch gutes Gelingen bei allem, was kommt und freue mich, dass wir über die LAG Väterarbeit Hessen verbunden bleiben.