Männer als Krieger, Männer als Mörder, Männer als Vergewaltiger. Aber auch: Männer als Dissidenten, Gefallene und Opfer sexualisierter Gewalt. Gerade mit Blick auf die aktuellen Kriege sind Fragen von Krieg und Geschlecht dringlicher denn je. Wir haben deshalb Jens Janson vom Evangelischen Zentrum Frauen und Männer um einen Kurzbericht ihrer Tagung „Braucht der Krieg das Patriarchat? Protestantische Perspektiven auf die Wechselwirkung von Krieg und Geschlecht“ am 27.11.2023 in Kassel gebeten.

„Die Entstehung von Männerbildern ist historisch eng mit den Anforderungen verzahnt, die an Kämpfer, Krieger und Soldaten gestellt werden. Ebenso gibt es korrespondierende Frauenbilder. „Braucht der Krieg das Patriarchat?“ lautete daher der Titel unserer Veranstaltung, zu der am 27. November 2023 rund 70 Teilnehmende nach Kassel ins Haus der Kirche kamen.

Besonders provokant wird die Fragestellung von Krieg und Patriarchat, wenn sie sich an die Verteidigungsfähigkeit demokratischer Nationen gerichtet sieht. Denn hier stoßen wertebasierte Interessen eklatant aufeinander. Der Wille, Demokratie und Freiheit zu verteidigen kollidiert mit der Hoffnung auf neue Männerbilder. Denn wenn auch immer mehr Frauen in Armeen Dienst tun, bleibt doch das Konzept von einem Menschen, der bereit ist, fern der Familie, unter Hintanstellung persönlicher Gefühle massive Gewalt zu verüben, ein männlich konnotiertes.

Geschlechtsspezifische Praktiken etablieren gewaltzentrierte Männlichkeiten

Männer – wie alle Menschen – taugen eigentlich nicht für organisierte militärische Gewalt, stellte Dr. Hendrik Quest (Uni Tübingen) fest, umso mehr würden Anstrengungen unternommen, Krieg und Männlichkeit zu verknüpfen. Geschlechtsspezifische Praktiken würden zu diesem Zweck genutzt, um gewaltzentrierte Männlichkeiten zu etablieren. Diese Tatsache biete aber zugleich die Chance, solche Praktiken zu hinterfragen und in veränderten Lebensrealitäten Geschlechterbilder neu im Sinne einer friedlichen Entwicklung zu gestalten.

Die Veranstaltung wollte mit ihrer Fragerichtung dezidiert die kirchliche Debatte anreichern und fragte zusätzlich nach den „Protestantischen Perspektiven auf die Wechselwirkung von Krieg und Geschlecht“.

Prof. Dr. Heleen Zorgdrager von der Protestant Theological University Amsterdam hob hervor, dass mit Blick auf die Situation der attackierten Ukraine feministische Gruppen den Beitrag von Frauen zu Friedensbemühungen betonen, dabei aber auch auf das Recht auf Verteidigung im Angriffsfall pochen. Damit lägen sie auf einer Linie mit kirchlichen Positionen. Verschiedene Kirchen (Ausnahme: die Russisch-Orthodoxe) äußerten sich klar gegen die Vorstellung, Krieg diene einer höheren oder gerechten Sache, geboten und legitim aber sei der Schutz von bedrohten Menschen auch mit militärischen Mitteln. Von Bedeutung sei es, den theologischen Begriff des „Opfers“ in diesem Zusammenhang neu zu bestimmen: nicht als heroisches, gar heiliges Opfer, sondern als Einsatz für das Leben anderer Menschen. Dass es wichtig wäre, die Instrumentalisierung von Geschlechterstereotypen im Kontext von Kriegen zu hinterfragen, will die Co-Vorsitzende der EKD-Friedenswerkstatt Dr. Friederike Krippner verstärkt in die Positionsbestimmungen der ev. Kirche einbringen.

Stereotype in der medialen Darstellung kriegerischer Konflikte

Wie sehr Stereotype insgesamt und gerade auch in Bezug auf Geschlechter in der medialen Darstellung kriegerischer Konflikte Anwendung finden, bestätigte die Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Martina Thiele (Universität Tübingen). Der analytische Blick auf dieses Feld müsse auf sämtliche  Verhaltensweisen und Lebensbereiche ausgedehnt werden und intersektionale Verschränkungen einbeziehen. Die Tagung beschäftigte sich außerdem in Workshops mit der psychosozialen Begleitung von Opfern militärischer Konflikte (Militärseelsorger Karsten Wächter) und alternativen Friedenssicherungskonzepten (Elise Kopper, AG Gender des Bundes für soziale Verteidigung).“

Kooperationspartner der Veranstaltung waren die Erwachsenenbildung der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck und die Ev. Akademie Hofgeismar.Eine Kurzdokumentation der Tagung wird in Kürze auf www.evangelisches-zentrum.de veröffentlicht werden.