
Forderungen des BFM zu den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD
Die Gleichstellung der Geschlechter ist Verfassungsauftrag und gelingt am besten, wenn sie alle Menschen einbezieht. Um Gleichstellung nachhaltig zu erreichen, müssen daher auch Jungen, Männer und Väter in den Blick genommen werden. Als Unterstützer und Verbündete, als eigenständige Agenten des Wandels und in ihrer Vielfalt mit je eigenen Interessen und Bedarfen. Insofern muss eine gleichstellungsorientierte Männerpolitik Teil einer modernen und zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik sein und im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD verankert werden.
Im Sondierungspapier zwischen Union und SPD wird als Ziel eine Gesellschaft formuliert, „in der Frauen und Männer gleichberechtigt und respektvoll miteinander leben – im Beruf, in der Familie und in der Politik“. Zudem, so heißt es weiter, sollen „Familien Kindererziehung, Pflege und Beruf partnerschaftlich vereinbaren können“. Als Bundesforum Männer begrüßen wir das ausdrücklich. Nun müssen diese Ziele in den weiteren Verhandlungen konkretisiert und mit Leben gefüllt werden. Dazu haben wir eine Auswahl an Forderungen und Maßnahmen zusammengestellt, die aus unserer Sicht in den Koalitionsvertrag gehören.
1. Gleichstellungspolitik braucht gleichstellungsorientierte Männerpolitik
Jungen, Männer und Väter sind in einer nationalen Gleichstellungstrategie systematisch mit einzubeziehen. Gleichstellungsorientierte Männerpolitik und die sie tragenden zivilgesellschaftlichen Strukturen müssen gestärkt und integraler Bestandteil einer modernen und zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik werden.
2. Gewaltprävention und Gewaltschutz ausweiten
Gewaltschutz muss alle Betroffenengruppen in den Blick nehmen – neben Mädchen und Frauen auch Jungen, Männer und alle weiteren Geschlechter. Das Gewalthilfegesetz bedarf einer Weiterentwicklung, um den Schutz aller von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt betroffenen Menschen sicherzustellen – im Einklang mit der Istanbul-Konvention und der EU-Richtlinie gegen Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Gewaltprävention muss gestärkt und neben der tertiärpräventiven Täterarbeit auch Angebote der Primär- und Sekundärprävention einbeziehen. Dazu zählt insbesondere der Auf- und Ausbau geschlechterreflektierter Jungen- und Männerarbeit.
3. Jungen- und Männerarbeit stärken – auch zur Extremismusprävention
Geschlechterreflektierte Ansätze in Bildung, Beratung und psychosozialer Arbeit mit Jungen und Männern fördern die Gleichstellung, dienen der Gewaltprävention und können wesentlich auch zur Extremismusprävention und Demokratieförderung beitragen. Programme und Angebote zur Förderung einer solchen geschlechterreflektierten Männerarbeit müssen ausgebaut und finanziell besser unterstützt werden, um nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen zu erzielen.
4. Mehr Männer für soziale Berufe gewinnen
Eine klischeefreie Berufsorientierung und Lebenswegplanung, die Erwerbs- und Sorgearbeit in ihrer Verschränkung in den Blick nimmt, ist ein Schlüssel zu echter Wahlfreiheit. Um Jungen und Männer stärker für soziale Berufe zu gewinnen, fordern wir, diese Berufe aufzuwerten und Programme wie den Boys’Day oder „MEHR Männer in Kitas“ besser auszustatten beziehungsweise neu aufzulegen.
5. Elterngeld reformieren
Um Erwerbs- und Sorgearbeit fairer zwischen den Geschlechtern aufzuteilen, sind geeignete Rahmenbedingungen und konkrete Anreize für Väter nötig, mehr Sorgearbeit zu übernehmen. Daher braucht es eine Weiterentwicklung des Elterngeldes mit einer dynamischen Anpassung des Mindest- und Höchstbetrages an die Preisentwicklung und einer Ausweitung der Partnermonate.
6. Aktive Vaterschaft von Anfang an stärken
Um Väter von Anfang an stärker in die Sorgearbeit einzubeziehen und auch gesellschaftlich das Signal zu senden, dass Väter von Beginn an gebraucht werden, muss eine zweiwöchige bezahlte Freistellung für Väter und zweite Elternteile (Familienstartzeit) direkt nach der Geburt als eigenständige Leistung eingeführt und analog zum Mutterschaftsgeld ausgestattet werden.
7. Vielfalt von Familienformen und ihrer Lebensrealitäten im Familienrecht abbilden
Eine Modernisierung des Familienrechts steht seit vielen Jahren auf der Agenda und muss endlich angegangen werden. Mit Blick auf Nachtrennungsfamilien sollte die Vielfalt möglicher Betreuungsmodelle rechtlich abgebildet werden – vom Residenzmodell bis hin zu gemeinsam geteilter Elternverantwortung nach Trennung. Dies schließt je eine konsistente Regelung von Fragen des Umgangs und Unterhaltes, von Anforderungen und Mehrbedarfen ein und muss die Ausgangssituation vor einer Trennung für Regelungen nach der Trennung angemessen berücksichtigen.
Auch muss Familiengründung unabhängig von geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung rechtlich abgesichert sein. Für schwule Männer, die in Regenbogenkonstellationen mit mehr als zwei beteiligten Erwachsenen ihren Samen zur Verfügung stellen, braucht es die Möglichkeit, bereits im Vorfeld rechtlich verbindliche Vereinbarungen zur Elternschaft zu treffen.
8. Männergesundheit als Teil einer geschlechtersensiblen Gesundheitsstrategie fördern
Gesundheitsförderung und -versorgung muss alle Geschlechter differenziert und spezifisch in den Blick nehmen. Gesundheitspolitik muss geschlechtersensibel gestaltet sein. Deshalb ist es nötig, eine nationale Männer- und Frauengesundheitsstrategie zu entwickeln und auch die Gesundheitsforschung geschlechtersensibel auszugestalten.
9. Mentale Gesundheit von Männern stärker in den Blick nehmen
Es ist nötig, männerspezifische Präventions- und Hilfsangebote in den Bereichen Sucht und mentale Gesundheit zu schaffen. Sowohl in den Statistiken zu Alkohol- und Drogenmissbrauch als auch zu Suiziden sind Männer überrepräsentiert. Zugleich nehmen Männer Angebote der psychosozialen Beratung und Psychotherapie seltener wahr als Frauen. Die Stärkung und Förderung geschlechtsspezifischer und -sensibler Angebote kann dazu beitragen, dass sich mehr Männer rechtzeitig Hilfe suchen.
10. Pflege und Beruf durch Einführung einer Lohnersatzleistung besser vereinbaren
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels braucht es geeignete Maßnahmen, um dem wachsenden Pflegebedarf zu begegnen. Ein wesentlicher Schritt zur Entlastung pflegender Angehöriger ist die Einführung einer Lohnersatzleistung für pflegebedingte Auszeiten sowie die Berücksichtigung dieser Zeiten in der Rentenversicherung. Dies würde auch mehr Männern die Übernahme von Pflegeverantwortung erleichtern.