Ein Mann mit einem blauen Pullover, auf dem das Zeichen der EU (ein Kreis aus Sternen) abgebildet ist.

Neue Leitlinien für Männer in Gleichstellung und Gewaltprävention

Die Kommission für Geschlechtergleichstellung (Gender Equality Commission) des Europarats hat in den letzten zwei Jahren Leitlinien zur Rolle von Männern und Jungen in der Gleichstellungspolitik und bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen erarbeitet. Diese wurden im Juni 2023 durch den Europarat angenommen.

Als Bundesforum Männer hatten wir im Prozess der Erarbeitung der Leitlinien gemeinsam mit dem Dachverband Männerarbeit Österreich, dem Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen männer.ch und mit InfoMann Luxembourg aus zivilgesellschaftlicher Perspektive eigene Vorschläge zur Ausgestaltung eingebracht.  

Männer und Jungen als wichtige Akteure der Gleichstellungspolitik

Im Ergebnis begrüßt das Bundesforum Männer die Leitlinien in der final verabschiedeten Form, auch wenn wir uns an einigen Stellen weitergehende Formulierungen gewünscht hätten. Mit den Leitlinien wird anerkannt und betont, dass Männern und Jungen in der Gleichstellungspolitik im Allgemeinen und in der Gewaltprävention im Besonderen eine wichtige eigene Rolle zukommt.  

Die Leitlinien beginnen mit einigen „fundamentalen Prinzipien“, namentlich dem Bekenntnis zu grundlegender Gleichstellung, der Erwähnung dem entgegenstehender Männlichkeits- und Geschlechterstereotypen sowie einer Betonung der Notwendigkeit, die Maßnahmen und Programme für Frauen und Mädchen nicht durch den Fokus auf Jungen und Männer zu gefährden. Im anschließenden Hauptteil empfehlen die Leitlininen politische Maßnahmen in unterschiedlichen Feldern.

Empfehlungen für politische Maßnahmen:  

  • Maßnahmen, die sich auf Männer und Jungen als Akteure des Wandels und auf den Abbau von Widerständen gegen die Gleichstellung beziehen  
  • Maßnahmen zur Verringerung negativer Auswirkungen von Sexismus, sozialen Normen und Geschlechterstereotypen auf Männer und Jungen
  • Auf Männer und Jungen ausgerichtete Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergleichstellung in der Sorgearbeit 
  • Maßnahmen zur Stärkung der Rolle von Männern und Jungen bei der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen  
  • Maßnahmen zur Entwicklung und Verbreitung von Forschung und Daten zur Gleichstellung der Geschlechter und Frauenrechten 

Männliche Sozialisation und Lebenslagen bleiben außen vor

In den Leitlinien wird an einigen Stellen auf Männlichkeitsanforderungen und -stereotype eingegangen, die bislang im Kontext männlicher Gewalt oft übersehen wurden. Auch wird – eher kursorisch – benannt, dass diese auch für Jungen und Männer nachteilhaft sein können. Ebenso wird auf die Notwendigkeit verwiesen, Jungen und Männer stärker in Carearbeit einzubinden. Das Thema Männergesundheit wird eher implizit und im Kontext von gesundheitsbezogenem Fehlverhalten oder in Bezug auf Risikofaktoren für Frauen (etwa bei der Übertragung sexueller Krankheiten) erwähnt. 

Eine deutlich schärfere Analyse wäre möglich, wenn Gewalterleben – als Täter und Betroffene – als „normaler“ Teil männlicher Lebensläufe stärker betrachtet würde. Dies wäre auch für eine nachhaltige Präventionsstrategie gegenüber geschlechtsbezogener Gewalt hilfreich. Durch die weitgehende Verengung auf Risikofaktoren für und Gewalt gegen Frauen und Mädchen wird die Chance verspielt, männliche Sozialisation und Lebenslagen umfassender in den Blick zu nehmen und damit Interventionsmöglichkeiten deutlich zu erweitern. Dies bleibt in den Leitlinien eher angedeutet als ausgeführt. 

Dennoch stellen aus Sicht des Bundesforum Männer die Leitlinien mit Blick auf die Einbeziehung von Jungen und Männern einen klaren Fortschritt dar: Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen zielen darauf ab, die Rolle von Jungen und Männern in der Gleichstellung bzw. Gleichstellungspolitik sowie in der Gewaltprävention und -bekämpfung zu stärken.