Abschiedsinterview mit Wolfgang Englert: „Haben wir und unsere Mitstreiter:innen einen „Change“ bewirkt?“

Das Männernetzwerk Hessen mit seinem Vorstandsmitglied Wolfgang Englert gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Bundesforum Männer, brachte sich seitdem lebhaft ein und wirkte aktiv an der Gestaltung unseres Verbands mit. Ende 2023 endet die Mitgliedschaft nach über dreizehn Jahren. Im Interview mit Dag Schölper lässt Wolfgang Englert die gemeinsame Zeit Revue passieren, erzählt Anekdoten, die ihm für immer in Erinnerung bleiben werden und gibt zugleich einen Ausblick in die Zukunft.  

Dag Schölper: Wolfgang, kaum zu glauben, dass ihr Ende des Jahres das Bundesforum Männer verlasst. Was verbindest du rückblickend mit eurer Mitgliedschaft? 

Wolfgang Englert: Zunächst die gute Nachricht: So ganz verlassen wir das Bundesforum nicht, da wir parallel sehr erfolgreich die LAG Väterarbeit Hessen gegründet haben, die 2022 Mitglied im Bundesforum Männer geworden ist.

Rückblickend fällt mir auf, dass seit der Gründung des Bundesforums ein Generationenwechsel stattgefunden hat. Ich bin gespannt, was eine neue Männergeneration voranbringen wird. Die Frage ist auch: Haben wir und unsere Mitstreiter einen “Change” bewirkt? Das wird weiter zu beobachten und auszuwerten sein.

Auf struktureller Ebene denke ich, dass wir eine Menge institutionelle Entwicklungserfahrung mit euch geteilt haben, insbesondere in der Kooperation zwischen den beteiligten NGOs und staatlichen Stellen. Das „Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse“ spielte dabei für mich auch eine wichtige Rolle.

Etwas Wehmut mischt sich aber natürlich auch in den Rückblick. Es war eine lange Zeit. Jetzt gilt es aber nach vorne zu schauen: Gerade die Ansätze und das Engagement jüngerer Männer und Akteure stimmen mich positiv und lassen mich akzeptieren, dass jetzt andere am Steuer sind.

„MoveMen ist für mich bis heute eine Herzensangelegenheit.“

Dag Schölper: Was waren mit Blick auf das Bundesforum Männer deine Highlights der letzten dreizehn Jahre? Mir fällt als erstes euer Engagement beim Projekt MoveMen zur Unterstützung geflüchteter Männer ein…

Wolfgang Englert: Ja klar, dieses Projekt war für mich eine Herzensangelegenheit und ist es im Grunde bis heute. Besonders spannend ist in der Rückschau, wie wir es geschafft haben, überhaupt das Vertrauen von geflüchteten Männern zu gewinnen. Wir haben gesehen, dass das Thema Scham als Schlüsselemotion zentral war. Indem wir versucht haben, den Männern dieses Gefühl zu nehmen, gelang es, überhaupt einen emotionalen Zugang zu finden. Grundlage dafür war eine intensive Begleitung der Klienten durch Einzelberatungen.

Wenn ich an die MoveMen-Zeit denke, fällt mir auch immer wieder eine schöne Geschichte aus dem Jahr 2017 ein, die ich nie vergessen werde: Ich war damals vorübergehend Pflegevater eines vierjährigen südsudanesischen Jungen, den ich mangels Betreuungsmöglichkeiten zu einem Treffen unserer Steuerungsgruppe mitnahm. Während meines Projektberichts hatte ich ihn mit Discman und Kopfhörer neben mich gesetzt. Ab der ersten Pause fingen fast alle anwesenden Männer an, sich durch Papierflieger-Falten und Ähnlichem mit dem Jungen zu beschäftigen um ihn so ‚bei Laune zu halten‘ – darunter Gunter Neubauer, Dirk Siebernik und andere. Das war ein ganz besonderer Moment. Es wäre schön zu erfahren, wie sich der Junge seit damals weiter entwickelt hat. Seit 2021 hält er sich meines Wissens in Ostafrika auf.

Dag Schölper: Gibt es noch andere Aktivitäten, an die du gerne zurückdenkst?

Wolfgang Englert: Es gibt da noch ein Bildungsvorhaben zu benennen, das bislang ziemlich unterbelichtet und während der Corona-Jahre untergegangen ist: Die musikalische Arbeit mit Stimmwechslern während des so genannten „Stimmbruchs“.

Wir hatten an der Berliner Universität für Musik und Kunst mit Prof. Kai-Uwe Jirka  2019 eine Projektskizze besprochen, die eine qualifizierte Begleitung von Jungen durch diese vulnerable Phase ermöglichen sollte, die ja auch oft schambesetzt ist. Ziel war es, dem insbesondere in Laienchören beklagenswerten Mangel an Tenor- und Bass-Stimmen nachhaltig entgegenzuwirken. Eingebracht in die Fachgruppe Väter, bekam dieses Vorhaben jedoch keine Priorität.

Dag Schölper: Gibt es Themenschwerpunkte, die du bzw. die ihr seitens des Männernetzwerks Hessen 2024 besonders in den Blick nehmen werdet?

Wolfgang Englert: Am Anfang unserer Mitgliedschaft im BFM bildete das Thema “Männer in KiTas” einen Schwerpunkt unserer Arbeit. Im Rahmen eines Forschungsprojekts stellten wir fest, dass es einen bis dahin unvermutet hohen und hochmotivierten Anteil an Männern gibt, die gerne in der Kinderbetreuung arbeiten möchten. Diese Erkenntnis floss auch in das ausgelaufene Modellprogramm “Mehr Männer in Kitas” des BMFSFJ ein.

Dieser Bereich wird uns angesichts der jüngsten PISA-Studie auch in Hessen wieder verstärkt beschäftigen. Ob uns allerdings in dieser schwierigen Zeit Erfolg gegönnt wird, hängt aber auch sehr vom zunehmenden gleichstellungsorientierten Engagement von Vätern in der Erziehung ab. Ich bin jedoch optimistisch: Unsere Fachtagung „Männer als Erziehungspartner“, die wir 2013 an der Fachhochschule Frankfurt ausgerichtet haben, zog immerhin 270 Fachkräfte an. Ich freue mich sehr, dass es heute vielversprechende Projekte wie “Vaterwelten” von Heiner Fischer, Martin Noack und Gunter Beetz gibt, die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken. Dazu kommen auch weitere Akteure, wie z.B. gesetzliche Krankenkassen wie die Barmer, Familienbildungsstätten sowie Musik- und Grundschulen, die sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Männer einsetzen.

Auch eine seit 2013 vom Kollegen Martin Moog erstellte und fortlaufend aktualisierte Fotoausstellung „Männer als Erziehungspartner“ erfreut sich reger Nachfrage, mittlerweile auch über Hessen hinaus.

Dag Schölper: Gibt es noch weitere Themen? 

Wolfgang Englert: Nach jüngsten Veränderungen im Vorstand des Männernetzwerks Hessen möchten wir die Kooperation mit migrationssensiblen Communities ausbauen. Dies auch unter dem Aspekt neuer Wege zur Fachkräftegewinnung! Und ‚last but not least‘ hoffe ich, dass eines meiner geistigen Kinder, das Vater-Kind-Format Klangohrhasen, in Zukunft fähige musikpädagogische Betreuer:innen finden wird und seine in den letzten Jahren stark zunehmende Resonanz bei jungen Vätern zu einer erfreulichen Bereicherung der Bildungslandschaft führen wird. 

Dag Schölper: Danke Dir für das Gespräch und vor allem für die vielen Jahre Eurer engagierten Mitgliedschaft. Ich wünsche Dir und Euch gutes Gelingen bei allem, was kommt und freue mich, dass wir über die LAG Väterarbeit Hessen verbunden bleiben.

Gute Nachrichten: Projektantrag „Nachhaltige Männlichkeit“ genehmigt

Zum Ende des Jahres gibt es gute Nachrichten: Der im September 2023 von uns beim BMFSFJ eingereichte Projektförderantrag mit dem Titel „Nachhaltige Männlichkeit fördern – Toxische Männlichkeit überwinden“ wurde Ende November 2023 genehmigt! Wir freuen uns darauf, in den kommenden drei Jahren gemeinsam mit Ihnen und Euch an der Zukunft einer gleichstellungsorientierten Männerpolitik zu arbeiten.

Neue Perspektiven auf Geschlechterrollen: Fachtag zur nachhaltigen Männlichkeit am 15. Mai 2024

Im Kontext der Debatte um Nachhaltigkeit wollen wir neue Perspektiven in die Diskussion über Geschlechterrollen und -stereotype einbringen. Ziel ist es, toxische Muster von Männlichkeit besser zu erkennen, schneller zu überwinden und nachhaltige Bilder von Männlichkeit zu fördern.

Neue Impulse und Ansätze dazu werden wir auf unserem Fachtag und Jahresempfang am 15. Mai 2024 unter dem Motto „Nachhaltige Männlichkeit – Was ist das?“ diskutieren können. Sobald die Planungen Form annehmen, informieren wir nochmal gesondert. Aber auch abseits des Fachtags wird es 2024 wieder zahlreiche Gelegenheiten geben, miteinander in den Austausch zu kommen. Die bereits feststehenden Termine sind weiter unten in der Übersicht.

BFM nimmt an Queerkonferenzen von SPD und DGB teil

Die Geschäftsstelle des Bundesforums war in den vergangenen Wochen auf zwei Tagungen mit LSBTIQ*-Fokus: Am 22. September lud die SPD Bundestagsfraktion erstmalig zur Queerpolitischen Menschenrechtskonferenz ins Paul-Löbe-Haus ein. Ebenfalls erstmalig veranstaltete der DGB am 28. November eine LSBTIQ* Fachtagung.

Menschenrechtslage und Herausforderungen für queere Personen im Fokus

Die queerpolitischen Sprecher:innen der SPD Bundestagsfraktion, Falko Droßmann, Anke Hennig und Jan Plobner, warnten in ihrer Begrüßung eindringlich vor Hetze und Gewalt gegen queere Menschen, die immer mehr zunehme. Im Anschluss folgten Panel-Diskussion, die die weltweite Menschenrechtslage von LSBTIQ* Personen in den Blick nahmen. Daniel Segal, der das Bundesforum auf dem Panel „Communityinterne Konflikte und Diskriminierungsmechanismen“ vertrat, betonte, dass das BFM in seiner Arbeit solidarisch mit allen Geschlechtern sei und die Interessenlagen aller Männer – von Cis bis trans* – im Blick habe. Deshalb habe der Verband sich u.a. auch beim Selbstbestimmungsgesetz eingebracht.

DGB Fachtagung „Es ist nicht alles Regenbogen“

Am 28. November folgte dann die DGB Fachtagung unter dem Motto „Es ist nicht alles Regenbogen“. Nach Grußworten von DGB Vorstandsmitglied Anja Piel und Isabel Eder, Abteilungsleiterin für Recht und Vielfalt, folgte ein wissenschaftlicher Impuls von Prof. Dominic Frohn. Der Leiter des Instituts für Diversity- und Antidiskriminierungsforschung stellte die Studie „Out in Office!?“ vor, die u.a. zeigt, dass viele queere Personen im Arbeitskontext aus Sorge vor Diskriminierung mit Kolleg:innen nicht über ihre sexuelle Identität und Orientierung sprechen.
 
Wie hier Fortschritte erzielt werden können, diskutierten unter anderem Ferda Ataman, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, MdB Tessa Ganserer und Carsten Bock, Sprecher des AK Regenbogen von ver.di. In einem Schwerpunktpanel zu Trans*Personen gaben eine Hochschulprofessorin, ein Bundespolizist und eine Lehrkraft Einblicke, wie ihr Arbeitsumfeld auf ihre Transformation reagiert hat. 

Austauschforum „Sexualisierte Gewalt gegen Jungen und junge Männer“: Nächste Schritte

Am 20.11.2023 fand in Frankfurt am Main das verbandsinterne Austauschtreffen zum Thema sexualisierte Gewalt gegen Jungen statt. Die Veranstaltung bildete den Auftakt, im Dachverband dazu eine gemeinsame Verständigung  anzustoßen und Perspektiven zu sammeln für die weiterführende Bearbeitung des Themas.

Herausforderungen und Perspektiven für Jungen und Männer im Bundesforum Männer

Über 20 Teilnehmer aus zehn Mitgliedsorganisationen waren dabei, darunter auch Vorstandsmitglied Martin Treichel. Seitens der Geschäftsstelle waren Klaus Schwerma, Karsten Kassner und Daniel Segal vor Ort.

Zunächst legte Bernard Könnecke von Dissens in seinem fachlichen Input den Fokus auf Jungen als Betroffene von sexualisierter Gewalt. Hierbei thematisierte er u.a. die spezifischen Herausforderungen bei der Präventionund der Aufklärung von Delikten. Eine besondere Schwierigkeit sei es, dass Betroffene häufig keine Hilfe erhalten und ihnen selten geglaubt würde. Nötig sei stattdessen eine sensible, empathische und solidarische Umgangsweise mit Anzeichen von Missbrauch oder der expliziten Suche nach Hilfe. Die Aufdeckung müsse als vielschichtiger, oft lebenslanger Prozess begriffen werden. Dirk Bange konnte seinen Impuls zu Jungen und Männern als Täter krankheitsbedingt leider nicht vortragen, hat aber zugesagt, dies in 2024 im Rahmen einer extra Online-Veranstaltung nachzuholen.

Andreas Heek vom Forum katholischer Männer übernahm im Anschluss die Aufgabe, am Beispiel der katholischen Kirche über Missbrauch begünstigende Strukturen in Institutionen und die Herausforderungen bei der Aufarbeitung nachzudenken. Sein Beitrag war zugleich als Aufschlag zur Frage gedacht, wie in den unterschiedlichen Mitgliedsorganisationen des BFM mit dem Thema umgegangen wird, welche Rolle spezifische Männlichkeitsbilder dabei spielen und wie das BFM als Dachverband nach innen wie außen damit weiter umgehen kann bzw. soll.

Nächste Schritte vereinbart

In gemeinsamen Austausch zu den Impulsen wurde deutlich, dass mit dem Thema verschiedene Ebenen berührt und unterschiedliche Erwartungen verbunden sind. Einigkeit bestand darin, dass eine verbandsinterne Auseinandersetzung mit der Frage nach sexualisierter Gewalt und Missbrauch von Jungen fortgeführt werden muss. Offen war dabei, welche Richtung dies nehmen soll und was die nächsten Schritte sein könnten. Diskutiert wurde unter anderem die Frage nach aktivem Awareness Rising gegenüber Politik und Öffentlichkeit, nach Zusammenarbeit mit Betroffenenorganisationen aber auch nach internen Aktivitäten zur Sensibilisierung und Selbstverpflichtung.

Die Arbeitsgruppe, die bereits das Austauschforum vorbereitet hat, wird ihre Arbeit fortsetzen, die Ergebnisse sichten, bewerten und Vorschläge zur konkreten Weiterarbeit machen. Auf der Mitgliederversammlung im Mai 2024 soll zum Stand der Arbeit berichtet werden.

Internes Austauschforum „Sexualisierte Gewalt und Missbrauch an Jungen“

Wie auf der Mitgliederversammlung am 11.05.2023 berichtet und in BFM Intern 1/2023 angekündigt, möchten wir hiermit zum verbandsinternen Fachaustausch zum Thema sexualisierte Gewalt und Missbrauch an Jungen einladen.

Auftaktveranstaltung zur gemeinsamen Positionierung

Die Veranstaltung bildet den Auftakt, im Dachverband eine gemeinsame Verständigung zum Thema anzustoßen – perspektivisch auch mit der Möglichkeit, dazu eine weiterführende gemeinsame dachverbandliche Haltung als Bundesforum Männer zu entwickeln.
In zwei Austauschrunden wollen wir den Fokus zunächst auf Jungen (und junge Männer) als Betroffene und dann auf Männer als Täter legen. Dazu haben wir Bernard Könnecke und Dirk Bange eingeladen, uns jeweils einen fachlichen Impuls zu geben. Ziel des gemeinsamen Austauschs nach den Impulsen ist es, eine Selbstverständigung über das Thema zu ermöglichen sowie einen Überblick über die Diskussionen und Aktivitäten zum Thema zu gewinnen. 
In einer dritten Runde wollen wir im Anschluss in den Austausch dazu gehen, wie in den Mitgliedsorganisationen des Bundesforum Männer mit dem Thema umgegangen wird, welche Diskussionen, Haltungen und Maßnahmen es bereits gibt und wie die Erfahrungen damit sind. 

Männerstudie zur Gleichstellungspolitik

Eine vom Bundesforum Männer in Auftrag gegebene repräsentative Studie zeigt: Ein großer Teil der Männer schätzt Gleichstellung als wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft ein. Zugleich nehmen die Zustimmungswerte für eine aktive, offensive Gleichstellungspolitik ab. Männer sind mehrheitlich der Auffassung, dass Gleichstellung noch (lange) nicht erreicht ist und Gleichstellungspolitik sich noch zu wenig mit den Anliegen von Männern befasst. Das Bundesforum Männer fordert, Männer stärker als Adressaten und Akteure in eine moderne Gleichstellungspolitik einzubinden.

Viele Männer fühlen sich von der Gleichstellungspolitik nicht genügend eingebunden

Wie denken Männer über die berufliche Eigenständigkeit ihrer Partnerin? Wie sind die Einstellungen zu Erwerbstätigkeit und Teilzeit? Wie sehen Männer ihre Rolle bei der Kindererziehung? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert die neue repräsentative Studie „Männerperspektiven. Einstellungen von Männern zu Gleichstellung und Gleichstellungspolitik“, die das Bundesforum Männer, der Interessenverband für Jungen, Männer und Väter in Deutschland, am 17. November 2023 im Vorfeld des Internationalen Männertags am 19. November vorgestellt hat.

Die Studie zeigt, wie Männer heute auf Gleichstellung und Gleichstellungspolitik blicken und wie sich ihre Einstellungen und Sichtweisen in den letzten Jahren verändert haben. 84% der Männer teilen die Auffassung, dass Gleichstellung wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist.
Mit Blick auf zentrale gleichstellungsrelevante Einstellungen von Männern zeigt die Studie im Vergleich zu 2015 positive Entwicklungen. Teilzeit wird für Männer normaler. Männer erwarten von Unternehmen, dass sie Vereinbarkeit von Familie und Beruf gleichermaßen für Männer wie für Frauen ermöglichen. Männer finden, dass mehr verbindliche Partnermonate beim Elterngeld die Gleichstellung voranbringen würden. Für mehr Männer wird es selbstverständlich, dass nicht nur Mütter, sondern auch Väter nach der Geburt die Erwerbstätigkeit unterbrechen und bei ihrem Kind zuhause bleiben.
Thomas Altgeld, Vorstandsvorsitzender des Bundesforum Männer:

Durch die Studienergebnisse sehen wir uns in unserer Grundannahme bestätigt, dass eine große Mehrheit der Männer Gleichstellung richtig und wichtig findet – sowohl gesamtgesellschaftlich, mit Blick auf Unternehmen und ihre Vereinbarkeitskultur und in Bezug auf die eigene Partnerschaft.

Studie offenbart gleichstellungspolitischen Handlungsbedarf

Trotz dieser aus Sicht des Bundesforum Männer insgesamt erfreulichen Tendenzen belegen die Ergebnisse aber auch dringenden gleichstellungspolitischen Handlungsbedarf.
2015 zählten noch 35 % zu den Befürwortern einer aktiven, offensiven Gleichstellungspolitik, heute sind es nur noch 23 %. Auf der anderen Seite wuchs im gleichen Zeitraum der Anteil der Gegner einer weiter gehenden Gleichstellungspolitik auf 22 %, gegenüber 13 % im Jahr 2015. Hinsichtlich des sprachlichen Genderns und seiner Nützlichkeit für die Gleichstellung ist die Gruppe der Männer gespalten.
„Wir sehen eine gegenläufige Entwicklung: Zunehmende Zustimmungswerte für Gleichstellung, aber abnehmende Zustimmungswerte für Gleichstellungspolitik. Eine effektive gleichstellungspolitische Strategie muss die unterschiedlichen Ausgangslagen berücksichtigen und mit differenzierten Maßnahmen darauf reagieren. Die Politik muss hier unbedingt aktiv werden.“ – Dr. Dag Schölper, Geschäftsführer BFM

Zur Methodik der Studie

Die Erhebung wurde vom DELTA-Institut und Prof. Dr. Carsten Wippermann durchgeführt und umfasst eine repräsentative Stichprobe von 1.556 befragten Männern im Alter ab 18 Jahren. Sie schließt an die Untersuchungen „Männer. Rolle vorwärts – Rolle rückwärts“ (2007) sowie „Männer-Perspektiven. Auf dem Weg zu mehr Gleichstellung?“ (2015) an und liefert somit im Zeitvergleich aktuelle Befunde für ausgewählte Fragestellungen.

Interviewprojekt „MännerWege“ zu Mannsein und Männerarbeit gestartet

Im Juni 2023 haben Alexander Bentheim und Ralf Ruhl ein neues Projekt ins Leben gerufen: „Männer/* und ihre Wege“, ein biografisch orientiertes Archiv zur Auseinandersetzung mit Jungen-, Männer- und Väterthemen. Grundlage ist ein leitfadengestütztes Interview mit 17 Fragen.

Aufbau eines Erfahrungsarchivs

In diesem Interview geht es um unterschiedliche Aspekte der eigenen professionellen Arbeit und des ehrenamtlichen Engagements, um Selbstverständnisse, Erfolge, Kooperationen, Projekte. Im Mittelpunkt stehen insbesondere persönliche Zugangswege und Auseinandersetzungen. Angefragt wurden bereits 134 Männer, die eines eint: Sie alle beschäftigen sich teils seit den 1980er Jahren mit Fragen von Mannsein/Männlichkeit und befinden sich mittlerweile in ihren letzten Lebensjahrzehnten. „Unser Anliegen ist es, die Erfahrungen, Reflexionen und Einschätzungen dieser Männer zu erfragen, zu archivieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zugleich sehen wir darin auch einen Beitrag zum Dialog mit einer neuen Generation von Männern, die den Männlichkeitsdiskurs in den kommenden Jahren weiter prägen wird.“ Aktuell liegen 21 Interviews vor. Zahlreiche weitere Beiträge sind in Arbeit.

Erstes Austauschtreffen von Verantwortlichen für Männerfragen bei den kommunalen Gleichstellungsstellen

Angeregt durch die Initiative des Bundeforum Männer und mit Hilfe der BAG-kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte fand am 11.10.2023 ein erstes digitales Austauschtreffen von Verantwortlichen für Männerfragen bei den kommunalen Gleichstellungsstellen statt. Zwölf verantwortliche Männer und Frauen kamen zusammen, um sich über ihre Aufgabenstellungen, Herausforderungen und Erfolge auszutauschen.

Gemeinsam stark für männerspezifische Gleichstellungsarbeit!

In einer ersten Vorstellungsrunde erläuterten die Teilnehmenden ihre Motivation und ihre Wünsche für den Austausch. Welche konkreten Erfahrungen und Arbeitsweisen erlebe ich? Welche Angebote kommen gut an, welche weniger? Wie sind die Beauftragten innerhalb ihrer jeweiligen Verwaltungsstrukturen inhaltlich und organisatorisch eingebettet?
Als Startimpuls für den weiteren Austausch gab Dietmar Fleischer, zuständig für “männerspezifische Belange” bei der Gleichstellungsstelle der Stadt Essen, einen kurzen Überblick über seine Arbeitsfelder und Themen. Danach diskutierten die Teilnehmer:innen über ihre eigenen Erfahrungen und gaben Einblick in ihre Aktivitäten. Gute Erfahrungen gibt es beispielsweise mit aktivierenden, handlungsbezogenen Angeboten, um Männer darüber ins Gespräch zu bringen, wie ein Lunchbox-Meeting, Backen für Väter oder Kochabende, eine Fahrradtour nach Feierabend oder meditatives Bogenschießen.

Schnell stellte sich heraus, dass die Arbeitsweisen- und bedingungen der Männerbeauftragten teils sehr unterschiedlich sind. So reicht das Beschäftigungsmaß von Teilzeit bis Vollzeit. Die Stellen sind von Frauen wie auch Männern besetzt. Manche sind außerdem nur für männerspezifische Aspekte der Gleichstellung zuständig, andere für alle Geschlechter.
Auch die Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche sehen teils sehr unterschiedlich aus. Während manche berichteten, u.a. zielgruppenspezifische Events und andere Angebote für die Stadtgesellschaft zu entwickeln und direkte Ansprechpartner:innen für Männer zu sein, haben andere eine interne Funktion, etwa indem sie Politik und Verwaltung in ihrer Kommune zu Männerfragen beraten.

Austauschformat wird verstetigt

Erörtert wurde auch, ob die Teilnehmenden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe, Männerperspektiven in die Gleichstellungsarbeit zu integrieren, auch auf Widerstände gestoßen sind. Die Mehrheit berichtete von rein positiven Erfahrungen. Die Kolleg:innen hätten erkannt, dass durch einen ganzheitlicheren Zugang alle profitierten. Die mit der thematischen Erweiterung einhergehenden Umbenennung von Frauen- zu Gleichstellungsbeauftragten sei dadurch unproblematisch gewesen.
Zum Ende des Treffens wurde verabredet, das Austauschformat künftig jährlich ein bis zwei Mal durchzuführen und dabei Schwerpunktthemen auf strategischer wie auch inhaltlicher Ebene zu setzen, z.B. zur Istanbul-Konvention.

Projektgruppen im BFM: So funktioniert die Gründung

Auf der Mitgliederversammlung im Mai 2023 wurde beschlossen, die bisherigen lebensphasenorientierten Fachgruppen in Projektgruppen umzuwandeln. Am 8.10.2023 haben wir in einer ausführlicheren E-Mail an alle Mitglieder und Fachgruppen über den weiteren Prozess informiert.

Zentral ist dabei ein digitales Padlet. Zu finden sind dort u.a. alle relevanten Dokumente, insbesondere eine Arbeitshilfe/Antrag sowie ein FAQ mit vielen Fragen und Anworten rund um die neuen Projektgruppen. Zugleich soll das Padlet auch als Marktplatz fungieren. Dort können Ideen eingebracht und Mitstreiter:innen für Projektgruppen gefunden werden. Am 15. Februar 2024 veranstalten wir von 16:00 bis 17:00 Uhr ein digitales Meet&Speak, bei dem Fragen zu den Projektgruppen geklärt und konkrete Ideen vorgestellt werden können.

Moderiert wird die Veranstaltung durch die Geschäftsstelle. Aus dem Vorstand sind Stephan Buttgereit und Thomas Wilde dabei.

„Wir bleiben dran!“: Editorial von BFM Geschäftsführer Dr. Dag Schölper

Editorial von Geschäftsführer Dr. Dag Schölper aus dem Newsletter BFM Intern 2/2023. Darin erinnert er unter anderem an einen zentralen Beschluss der Mitgliederversammlung von 2019: Den Ausschluss jedweder Zusammenarbeit mit der AfD.

Tagespolitisch besorgen uns Meinungsumfragen auf Bundes- und Länderebene, die ein Erstarken der AfD zeigen. Laut ARD-Deutschlandtrend und ZDF-Politbarometer könnte die AfD mit 22 bzw. 21 Prozent Wählerzustimmung rechnen, wenn jetzt Bundestagswahlen stattfinden würden.
Der AfD Spitzenkandidat zur Europawahl Maximilian Krah erklärte kürzlich in einem Social-Media-Video: „Echte Männer sind rechts.“ Und verkaufte das auch noch als Incel-Tipp, dass es dann auch mit einer Freundin klappe. Das ist ein Männer-Bild, dem wir als Bundesforum entschlossen entgegentreten. Die pluralistisch-solidarische Grundhaltung unserer Mitgliedschaft ist von der Plattform des Bundesforums klar umrissen. Die Mitglieder „setzen sich dafür ein, dass alle Geschlechter gleichberechtigt im Fokus der politischen und gesellschaftlichen Gestaltung stehen. Damit wenden sie sich gegen jegliche geschlechtliche Diskriminierung. Am Prinzip umfassender gesellschaftlicher Gleichstellung orientiert, wirken sie mit, die Geschlechter in ihren jeweiligen Entwicklungen, Identitäten und der Vielfalt ihrer Lebensentwürfe zu fördern.“ 

Von daher sind wir besorgt, dass die AfD das im August vom Bundeskabinett beschlossene Selbstbestimmungsgesetz als „irrsinnig und gefährlich“ bezeichnet und dies folgendermaßen begründet: „Denn die Tatsache, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt, wird zugunsten der Gender-Ideologie von Gefühlen verdrängt,“ so Martin Reichardt, Beisitzer im Bundesvorstand der AfD. 

Damit wird eine biologische Definition der Zweigeschlechtlichkeit als objektive Wahrheit dargestellt und, was besonders perfide ist, dem politischen Gegner eine ideologische Gefühlspolitik unterstellt. Zugleich wird die eigene Partei-Strategie verschleiert, die ja augenscheinlich selbst Ressentiments oder Einsamkeitsgefühle instrumentalisiert. 

Keine Zusammenarbeit mit der AfD

An dieser Stelle sei nochmals an den 2019 von der Mitgliederversammlung verabschiedete Beschluss erinnert, der jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt und zudem betont: „Das Bundesforum Männer beteiligt sich aktiv an Bündnissen und Protesten gegen Aktivitäten der AfD.“

Beunruhigend sind auch die Ergebnisse der aktuellen Mitte-Studie, die in ihrer repräsentativen Umfrage zu dem Ergebnis kommt, dass 8 Prozent der in Deutschland lebenden Erwachsenen ein manifest rechtsextremes Weltbild haben.  

Gleichstellungsvorhaben im Blick behalten

Bei aller Sorge müssen wir gleichzeitig auch ganz konkret im Blick behalten, was von den Vorhaben und Ankündigungen der Bundesregierung in die Umsetzung kommt und wie. Das selbstgesteckte Ziel der Koalition, bis 2030 die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, war mindestens vollmundig. Das „Deutschland-Tempo“ in Sachen Gleichstellung, zu der laut Koalitionsvertrag auch eine gleichstellungsorientierte Männerpolitik gehört, ist jedenfalls nicht besonders hoch.  Wir werden daher nicht nachlassen, uns einzumischen, einzubringen und auch gegenüber dem BMFSFJ laut und deutlich unsere Interessen zu vertreten.

Herzliche Grüße im Namen der gesamten Geschäftsstelle und des Vorstands Ihr und Euer Dag Schölper