nik-shuliahin-BuNWp1bL0nc-unsplashIn den letzten fünf Jahren werden bundesweit immer mehr Fälle von Partnerschaftsgewalt angezeigt. Der Anstieg umfasst mehr als 11 Prozent. Das sind die sichtbaren Fälle, die im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung des Bundeskriminalamts (BKA) als Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) erfasst sind. Die jetzt für 2019 vorgelegten Zahlen bestätigen die Tendenz der Vorjahre, dass Partnerschaftsgewalt vorrangig Frauen betrifft (81 Prozent). Da die Gewalt überwiegend von Männern ausgeübt wird (79 Prozent) fordert das BUNDESFORUM MÄNNER seit langem, dass in Deutschland dringend mehr und zielgenauere Angebote der Gewaltprävention und Täterberatung zur Verfügung gestellt werden müssen.

Gewalt und Männlichkeit – Männer als Täter und Opfer

Die aktuellen Befunde zeigen zugleich, dass auch Partnerschaftsgewalt gegen Männer mit einem Anteil von rund 19 Prozent eine relevante Größe ist. In totalen Zahlen sind im Berichtszeitraum mehr Fälle zur Anzeige gebracht worden als im Vorjahr (+2 Prozent). Der vorliegende Bericht kann dabei nicht klären, ob die Fallzahlen gestiegen sind oder ob lediglich mehr Fälle polizeilich erfasst bzw. angezeigt wurden. Wichtig ist auch, dass in der Gesamtbetrachtung aller Gewaltdelikte (einschließlich der Partnerschaftsgewalt) Männer als Betroffene mit mehr als 59 Prozent  überrepräsentiert sind. Gleichermaßen muss allerdings auch hier konstatiert werden, dass die Tatverdächtigen bzw. Täter von Gewaltdelikten ebenfalls mehrheitlich Männer sind.

Das BUNDESFORUM MÄNNER hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder dafür eingesetzt, dass neben dem „Hellfeld“ auch das sogenannte „Dunkelfeld“ untersucht wird, um repräsentative aktuelle Zahlen zur Gewaltbetroffenheit von Frauen und Männern zu erhalten. Insofern begrüßen wir ausdrücklich, dass das BMFSFJ eine solche vergleichende Studie nun in Auftrag geben will. Denn gerade für von Gewalt betroffene Männer ist die Hemmschwelle, Anzeige zu erstatten, besonders hoch. Von Gewalt betroffenen Männern (und auch Jungen) stehen gesellschaftliche Normen und geschlechtsbezogene kulturelle Stereotype oft im Weg („Der starke Mann, der keine Hilfe braucht“). Dabei geht es nicht nur um gesellschaftliche Bilder oder die Erwartungen in Familie und Bekanntenkreis. Oft sind es auch die eigenen Männlichkeitserwartungen, die verhindern, dass ein Mann sich selber eingesteht, Gewalt erfahren zu haben. Die Gewalt der Partnerin oder des Partners wird dann schnell als eigenes Versagen, als „selber schuld sein“ gedeutet und ausgehalten. Es ist schambesetzt oder sogar tabuisiert, als Mann dieser Erfahrung ausgesetzt zu sein und sich die eigene Verletzlichkeit einzugestehen. Hinzu kommen Ängste, bei Veröffentlichung des Gewalterleidens nicht als Opfer, sondern als eigentlicher Täter beschuldigt zu werden. Teilweise erschweren auch Sprachbarrieren, Gewalttaten zur Anzeige zu bringen.

Das Dunkelfeld im Blick

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat vor kurzem die Ergebnisse einer eigenen repräsentativen Dunkelfeldstudie „Sicherheit und Gewalt in NRW“ (2019) in Düsseldorf vorgestellt. Im Ergebnis zeigt sich u.a., dass mehr als die Hälfte der insgesamt 60.000 befragten Bürger:innen in ihrem Leben schon einmal von zumindest einer der erhobenen Formen von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt betroffen waren. Im Geschlechtervergleich sind Männer dabei häufiger von körperlicher Gewalt und Frauen vermehrt von sexueller Gewalt betroffen. Darüber hinaus gibt ein Viertel der Befragten an, in ihrem Leben schon mal Gewalt in der Partnerschaft erfahren zu haben. Dabei sind Frauen bei allen abgefragten Formen von Gewalt in Partnerschaften stärker betroffen als Männer. Insgesamt nehmen gewaltbetroffene Frauen Hilfeangebote tendenziell eher in Anspruch als gewaltbetroffene Männer. Zudem variiert die Bekanntheit von Hilfeangeboten zur Unterstützung gewaltbetroffener Personen stark. Angebote für Frauen sind demnach relativ verbreitet bekannt, wohingegen vergleichsweise wenige Menschen Angebote für Männer kennen.

In Nordrhein-Westfalen soll sich dies zukünftig ändern. Neben einzelnen neu eingerichteten Schutzwohnungen für von Partnerschaftsgewalt betroffene Männer wurde 2020 auch das „Hilfetelefon Gewalt an Männern“ ins Leben gerufen. Erste Auswertungen des gemeinsam von den Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen geförderten Männerhilfetelefons haben ergeben, dass in einem Zeitraum von sechs Monaten 2366 Männer das Hilfetelefon in Anspruch genommen. Mehrheitlich sind die hilfesuchenden Männer von psychischer und körperlicher Gewalt betroffen. Die Täterinnen und Täter kommen überwiegend aus dem direkten Nahumfeld. Am häufigsten handelt es sich um die Partnerin oder den Partner (36 Prozent), gefolgt von anderen Familienangehörigen (27 Prozent) sowie Ex-Partnerinnen und Partner (11 Prozent). In den dokumentierten Fällen waren 93 Prozent der Tatverdächtigen Frauen.

Auch das ZDF hat sich dem Thema Partnerschaftsgewalt gegen Männer angekommen und kürzlich den Beitrag „Tabu Gewalt an Männern“ ausgestrahlt.

Unterstützung für Männer

Das BUNDESFORUM MÄNNER setzt sich für den bundesweiten Auf- und Ausbau von Hilfeeinrichtungen und Beratungsstellen für Männer ein. Zusätzlich gilt es, Täterberatungsstellen und Gewaltpräventionsangebote flächendeckend zu etablieren. Unsere bundesweite Online-Plattform männerberatungsnetz.de macht hilfesuchenden Jungen, Männern und Vätern die vorhandenen Angebote an Männerberatung in ihrer Vielfalt sichtbarer und besser zugänglich. Zugleich möchte die Webseite aufzeigen und dafür sensibilisieren, dass es in vielen Bereichen und in vielen Regionen Deutschlands bisher noch keine ausreichenden Beratungsangebote für Männer gibt, speziell solche mit gender- und männlichkeitssensiblen Konzepten.