Im Mai 2023 haben das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie das Bundesministerium der Justiz (BMJ) den Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften (SBGG) vorgelegt. Im Rahmen der Verbändebeteiligung hat das Bundesforum Männer die Möglichkeit genutzt, dazu eine Stellungnahme abzugeben.
Grundsätzliche Bewertung
Als Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer und Väter e.V. begrüßen wir grundsätzlich, dass die Bundesregierung den Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt und den Gesetzgebungsprozess damit eingeleitet hat. Ausdrücklich teilen wir das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel, die Möglichkeiten zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei Auseinanderfallen des Geschlechtseintrags und der Geschlechtsidentität zu vereinheitlichen, zu entbürokratisieren und eine selbstbestimmte Änderung zur Wahrung und zum Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität zu regeln.
Wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer pluraleren, inklusiveren und diskriminierungsfreieren Gesellschaft
Wir sind davon überzeugt, dass dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer pluraleren, inklusiveren und diskriminierungsfreieren Gesellschaft ist, welche die Teilhabe aller ermöglicht und in der Geschlechtergerechtigkeit und der Respekt vor sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und den damit verbundenen Lebensentwürfen zentrale Werte darstellen.
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz soll die Geltung und Praxis des Transsexuellengesetzes abgeschafft werden. Das begrüßen wir ausdrücklich. Es ist lange überfällig, dass die mit dem Transsexuellengesetz verbundene Diskriminierung, Entwürdigung und Pathologisierung von trans* Menschen aufgehoben wird. Zudem wird durch die mit dem Selbstbestimmungsgesetz angestrebten Vereinheitlichungen und Vereinfachungen auch die Situation von nicht-binären, inter* und geschlechtslosen Personen verbessert.
Solidarität mit allen vom Gesetzgebungsverfahren betroffenen Menschen
Als Dachverband für gleichstellungsorientierte Jungen-, Männer- und Väterpolitik sind wir solidarisch mit allen vom Gesetzgebungsverfahren betroffenen Menschen. Allerdings versteht sich das Bundesforum Männer selbst nicht als originäre Interessen- bzw. Betroffenenvertretung in der Sache. Insofern nehmen wir zum Referent:innenentwurf vor allem übergreifend Stellung und kommentieren nicht alle vorgeschlagenen Regelungen dort und in davon betroffenen weiteren Gesetzen im Detail.
Fokus auf Fachverbände wie Bundesverband Trans* und Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) setzen
Vor dem Hintergrund der Tragweite für die Betroffenengruppen wie für die Gesellschaft insgesamt, empfehlen wir deshalb dringend, die Stellungnahmen der einschlägigen Fach- und Betroffenenverbände (bspw. Bundesverband Trans* oder auch LSVD) im weiteren Gesetzgebungsprozess ernsthaft zu prüfen, zu berücksichtigen und bei Bedarf weitere Beteiligungsformate zu ermöglichen. Dort, wo nötig bzw. angemahnt, sollte die Zeit für Austausch und weitere Erörterung gewährt werden, ohne den Gesetzgebungsprozess dadurch unnötig in die Länge zu ziehen.
Nach Durchsicht des Entwurfs kommt das Bundesforum Männer e.V. unter anderem zu folgenden Einschätzungen. Zu kritisieren ist, dass der vorliegende Gesetzentwurf den Betroffenengruppen auf mehreren Ebenen nach wie mit Misstrauen begegnet. Beim Thema Elternschaft bedarf es zudem dringend weiterer Anpassungen. Die gesamte Stellungnahme finden Sie im beigefügten PDF.
Kritisch sehen wir, dass der vorliegende Gesetzentwurf an einigen Stellen den Zielgruppen des Gesetzes gegenüber weiterhin mit Misstrauen begegnet. § 4 etwa regelt, dass die abzugebende Erklärung erst nach einer dreimonatigen Frist wirksam wird. Eine solche aufgeschobene Wirksamkeit ist bei anderen Willensbekundungen unüblich und die Regelung sollte ganz gestrichen werden.
Der § 6 Abs. 2 markiert die Betroffenengruppen zudem implizit als potentiell „gefährlich“, indem der Absatz ohne Not auf selbstverständlich weiterhin gütiges Hausrecht verweist und nahelegt, Ausschlüsse aufgrund der Geschlechtsidentität seien – entgegen der Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – legitim. Diese Regelung sollte ebenfalls gestrichen werden.
Mit dem § 13 wird ein Offenbarungsverbot des vorherigen Geschlechtseintrags resp. Namens geregelt. Ein solches Offenbarungsverbot halten wir unbedingt für richtig und angebracht; es wird aber in Absatz 2 durch die Ausnahmen für enge Familienangehörige eingeschränkt. Gerade hier brauchen Betroffene je nach Lage des Einzelfalls aber verlässliche Schutzrechte.
Das Thema Elternschaft wird im Rahmen des § 11 weiterhin in der binären Logik Mutterschaft und Vaterschaft gedacht. Eine rechtliche Elternschaft jenseits von Mutterschaft oder Vaterschaft ist damit ebensowenig vorgesehen, wie Konstellationen, in denen es mehr als zwei an der Familiengründung beteiligte Personen resp. in denen es primär zwei weibliche oder zwei männliche Bezugspersonen gibt. Zudem wird in § 11 in unterschiedlicher Weise geregelt, wie mit dem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister in Bezug auf Mutterschaft bzw. Vaterschaft umzugehen ist. Daraus ergeben sich im Alltag der Betroffenen Widersprüchlichkeiten mit Diskriminierungspotential.
Wir raten daher dringend dazu, den § 11 des Selbstbestimmungsgesetzes im Lichte der ebenfalls geplanten Reformen im Abstammungs- und Familienrecht nochmals anzupassen, die Festlegung der beiden Elternstellen auf „Mutter“ und „Vater“ zu öffnen und bei den noch ausstehenden Vorhaben nun zeitnah und zügig eigene Gesetzgebungsverfahren voranzubringen.
Mit §9 wird normiert, dass eine rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht für die Dauer eines Spannungs- und Verteidigungsfalls mit Blick auf den Dienst der Waffe nach Artikel 12a GG bestehen bleibt, wenn eine Änderung zu nicht-männlich in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang (längstens zwei Monate zurückliegend) erfolgt ist. Für das Bundesforum Männer ergibt sich hieraus eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der vom Gesetzentwurf eigentlich angestrebten Selbstbestimmung für all diejenigen Fälle, in denen eine Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags lediglich zeitlich, aber nicht kausal mit dem Eintreten eines Spannungs- und Verteidigungsfalls zusammenfällt. Eine pauschale Regelung ohne Überprüfung des Einzelfalls lehnen wir als Bundesforum Männer vor diesem Hintergrund ab.
Darüber hinaus besteht für das Bundesforum Männer die grundsätzliche Frage, warum der Dienst mit der Waffe an den Geschlechtseintrag Mann geknüpft wird, zumal Frauen seit der Änderung des Grundgesetzes und entsprechender weiterer gesetzlicher Vorschriften im Dezember 2000 der freiwillige Dienst mit der Waffe offensteht. In der automatischen Verknüpfung von Mannsein und Wehrpflicht (die seit 2011 nur ausgesetzt ist) resp. dem Dienst mit der Waffe kommt ein Männlichkeitsbild zum Ausdruck, dass wir als Bundesforum Männer infrage stellen und im Sinne der Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter überwinden wollen.