Bundestag debattiert über „Wechselmodell“

Am 15. März 2018 wurde im Deutschen Bundestag über das „Wechselmodell“ diskutiert. Anlass war der Antrag der FDP-Fraktion: „Getrennt leben – Gemeinsam erziehen: Familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall einführen“ (BT-Drucks. 19/1175). Einen Gegenantrag hatte die Fraktion Die Linke eingebracht: „Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen – Keine Festschreibung des Wechselmodells als Regelmodell.“ (BT-Drucks. 19/1172) Nach kontroverser Diskussion wurden die Anträge in die Ausschüsse überwiesen, federführend ist der Rechtsausschuss des Bundestags.

Die Debatte ist dokumentiert und die Redebeiträge können auf www.bundestag.de angesehen werden.

Gemeinsam erziehen auch nach Trennung – ist heute denkbar

Aus Sicht des Bundesforum Männer ist die Diskussion über das sogenannte Wechsel- oder Doppelresidenz-Modell selbst schon als ein Erfolg zu werten. Noch vor zwei Jahrzehnten schien es im herrschenden Diskurs nahezu unvorstellbar, dass Kinder nach einer Trennung bzw. Scheidung der Eltern, nicht bei ihren Müttern verblieben und ihre Väter allenthalben Besuchsrecht bekämen. Eine womöglich paritätische Übernahme von Betreuung sowie Elternverantwortung durch Mutter und Vater schien fast undenkbar. Heute ist das die Normalerwartung einer Mehrheit in der Gesellschaft.

Tradierten Stereotype überwinden

Daher ist es ganz richtig, wenn im Antrag der FDP-Fraktion als Problem identifiziert wird: „Die geltenden familienrechtlichen Regelungen tragen bislang dazu bei, dass einseitige und überholte Rollenbilder gefördert werden, bei denen die Betreuungsleistung meist bei den Müttern liegt, während den Vätern die Rolle der Unterhaltzahlenden zukommt.“ Das Bundesforum Männer begrüßt ausdrücklich das Ansinnen, diese „tradierten Stereotypen“ zu überwinden, wie auch schon früher deutlich gemacht wurde (siehe z.B. Stellungnahme von 2016, .pdf). Darum müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen auf den Prüfstand, um beispielsweise das Umgangs-, Unterhalts- und Steuerrecht so zu modernisieren, dass eine gemeinsame Verantwortungsübernahme der Eltern – bevor es überhaupt zu einer Trennung kommt, aber auch danach – erleichtert wird.

Die Debatte im Bundestag brachte die Erkenntnis, dass sich alle Fraktionen im Grundsatz darin einig zu sein scheinen und dass es lediglich in der Wahl der (rechtlichen) Mittel Dissens gibt, um das Ziel zu erreichen: Kindeswohl im Zentrum; Einzelfall prüfen; gemeinsame Verantwortungsübernahem stärken; verschiedene Optionen elterlicher Verantwortungsübernahme vorhalten und real ermöglichen.

Fachleute auf Wechselmodell vorbereiten

Das Bundesforum Männer erwartet nun von der Bundesregierung, dass sie ihren Worten auch Taten folgen lässt. Denn im Koalitionsvertrag heißt es sowohl: „Wir wollen, dass Eltern und Kinder in einer Trennungsphase gut beraten und begleitet werden. Das Wohl der Kinder muss dabei im Zentrum stehen.“ Als auch: „Von allen an familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Berufsgruppen erwarten wir kontinuierliche Fortbildung in fachlicher und methodischer Hinsicht für ihre anspruchsvolle Tätigkeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit.“ Die Linke fordert in ihrem Antrag sogar, die diesbezügliche „Schulung und Sensibilisierung von Richterinnen und Richtern, Gerichtspflegerinnen und Gerichtspflegern sowie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendämter“ gesetzlich festzuschreiben.

Das „Wechselmodell“, ob nun als Regelfall oder als eine gestärkte Option, muss in seinen Möglichkeiten und auch möglichen Komplikationen zum Standartrepertoire der unterstützenden, beratenden und helfenden Fachleute gehören. Denn auch die besten Gesetze sind nur so viel wert wie ihre praktische Umsetzung durch Gerichte, Ämter und andere öffentliche Stellen.

Mehr Unterstützung und Beratung

Grundsätzlich gilt, um die Notwendigkeit familiengerichtlicher Entscheidungen zu minimieren: Eltern brauchen mehr geeignete Unterstützungsstrukturen, um sich außergerichtlich darüber zu einigen, wie sie ihre Verantwortung gegenüber den Kindern trotz Trennung weiterhin gemeinsam wahrnehmen können. Dazu gehört, lokale Unterstützungsstrukturen speziell für getrennt- bzw. alleinerziehende Väter auf- und auszubauen.

Berlin, 16. März 2018