Gemeinsame Stellungnahme von Netzwerk Jungen- und Männergesundheit und Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer & Väter e.V.
2014 publizierte das Robert Koch-Institut nach langer Vorarbeit den Bericht „Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland“. Er zeigte u.a. männer- und genderspezifische Probleme und Versorgungsengpässe auf. Aufgabe von Gesundheitsberichterstattung ist es, Politik und Öffentlichkeit über Gesundheit, Krankheit, Gesundheitsrisiken und Sterbegeschehen einer räumlich und zeitlich definierten Bevölkerung zu informieren. Sie stellt eine empirische Grundlage für gesundheitspolitische Entscheidungen bereit und begleitet den Prozess der Umsetzung.
Die Umsetzung der Berichtsergebnisse in gesundheitspolitische Maßnahmen ist aber immer noch unzureichend. Mit dieser Stellungnahme wollen wir darstellen, wie die im Bericht dokumentierten Verhältnisse gesundheitspolitisch aufgegriffen und verbessert werden können.
Was wurde aus dem Männergesundheitsbericht 2014?
Der „Bericht zur gesundheitlichen Lage der Männer in Deutschland“, der im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes veröffentlicht wurde, war ein wichtiger Meilenstein zur Dokumentation der gesundheitlichen Lage und entsprechender Bedarfe von Männern.
Allerdings sind im Bericht Herausforderungen für die Gesundheitsforschung und -versorgung zwar formuliert, die Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen steht aber, wie auch eine mögliche Umsetzung, noch aus.
Das Netzwerk Jungen und Männergesundheit und das Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer & Väter stellen sich dieser Frage und formulieren aus ihrer männerbezogenen Expertise spezifische Forderungen sowohl für die Gesundheitsberichterstattung als auch für die geschlechtsspezifische Prävention, Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung:
• eine regelmäßige Männergesundheitsberichterstattung und die verbindliche Weiterführung und Verstetigung der Jungen- und Männerperspektive in der Gesundheitsberichterstattung, sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene.
• eine Verbesserung der Datenlage und Datenqualität zur Beschreibung der geschlechtsspezifischen Besonderheiten von Jungen und Männern sowie Mädchen und Frauen, wie dies mehrfach im Männergesundheitsbericht 2014 benannt und adressiert wird.
• die weitere Differenzierung der Gruppe der Jungen und Männer sowohl bei der Datenerhebung als auch bei der Beschreibung der jeweiligen gesundheitlichen Belange, z.B. bei marginalisierten Jungen und Männern, bei Jungen und Männern mit Migrationshintergrund, bei geflüchtete Jungen und Männern.
• das Aufgreifen der im Männergesundheitsbericht 2014 benannten Forschungsdesiderate und die Schließung von Forschungslücken im Bereich der Jungen- und Männergesundheit, vor allem hinsichtlich der Erforschung von Gesundheitsressourcen und zum Einfluss des Rollenverständnisses auf die Gesundheit.
• das Aufgreifen von geschlechtsspezifischen Themen, die bislang in der Gesundheitsberichterstattung vernachlässigt wurden; dies betrifft z.B. ganz allgemein die Jungengesundheit, den Bereich männliche Sexualität und Gesundheit, die Gesundheit von Jungen und Männern mit Behinderung.
Was bedeutet das Präventionsgesetz für die Jungen- und Männergesundheit?
Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) ist seit 2015 in Kraft und steckt den Rahmen für Leistungen der Krankenkassen zur Verringerung von Krankheitsrisiken und der Förderung eines selbstbestimmten, gesundheitsförderliches Handelns ab. Außerdem soll das Gesetz die stärkere Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger, Länder und Kommunen in den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung fördern.
Die Geschlechterdimension ist im Gesetz an zwei prominenten Stellen berücksichtigt worden. Der neue Paragraph 2b des SGB V besagt, dass bei den Leistungen der Krankenkassen die geschlechtsspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen sind und Paragraph 20 Absatz 1 wurde um den Passus erweitert, dass Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung nicht nur einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen leisten sollen, sondern auch zur Verminderung geschlechtsbezogener Ungleichheit von Gesundheitschancen.
Diese Absichtserklärungen klingen gut. Vor dem Hintergrund des Männergesundheitsberichts 2014 fordern wir aber für die Umsetzung des Präventionsgesetzes:
• die Schaffung von Strukturen, die sicherstellen, dass die bislang völlig unzureichend beachteten spezifischen Bedarfe von Jungen und Männern hier angemessen berücksichtigt werden. Dazu gehört insbesondere eine geschlechterbezogene Evaluation der Maßnahmen nach dem Präventionsgesetz.
• konkrete Maßnahmen zur Sicherstellung der Genderqualität von Prävention und Gesundheitsförderung wie etwa die Evaluation der genderbezogenen Einträge der Praxisdatenbank „Gesundheitliche Chancengleichheit“, die das Land Brandenburg im Auftrag des Bundes führt. Insgesamt ist eine geschlechterdifferenzierende Angebotsanalyse für den Bereich der Gesundheitsförderung bislang nicht möglich, da die Geschlechtsspezifik hier wie auch andernorts nur unzureichend beschrieben wird und eine geschlechtersensible Projektdokumentation weitgehend fehlt.
• die Einführung und Durchsetzung einer geschlechtersensiblen Präventionsberichterstattung zur Evaluation der Maßnahmen nach dem Präventionsgesetz.
Weitergehende Forderungen und Empfehlungen
Das Netzwerk Jungen- und Männergesundheit und das Bundesforum Männer fordern und empfehlen darüber hinaus folgende Themenbereiche zur Weiterführung und Vertiefung des Männergesundheitsberichts 2014 sowie zur Einrichtung von Maßnahmen in den Bereichen Gesundheitsforschung und Gesundheitsförderung:
• im Kontext Arbeit / Setting Betrieb – Maßnahmen und Programme im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung wie z.B. INQA (Initiative Neue Qualität der Arbeit) und iga (Initiative Gesundheit und Arbeit) auf ihre Geschlechtersensibilität und -qualität überprüfen und entsprechend weiterentwickeln
• im Kontext Arbeitslosigkeit / Setting Stadtteil – geschlechtersensible Gesundheitsförderung bei Arbeitslosigkeit verbessern z.B. durch männerspezifische gesundheitsfördernde Maßnahmen „vor Ort“ bzw. im Sozialraum, dabei die Stärkung sozialen Kapitals geschlechtersensibel angehen
• im Kontext Sozialstatus / verschiedene Settings – im Bereich von Gesundheitsförderung und Prävention die Erreichbarkeit sowie die Ausrichtung an nicht-privilegierten Jungen und Männern verbessern; Forschungsbedarf zu männerspezifischen Voraussetzungen von Erreichbarkeit erheben und umsetzen
• im Kontext Alter / Setting Stadtteil – mit Blick auf die Prävalenz von Depressionen und Suiziden das soziale Kapital von Männern im Übergang in die Nacherwerbsphase stärken durch Maßnahmen auf kommunaler Ebene und im Sozialraum.
Vorschläge zur Umsetzung
Wir fordern in der Folge des Männergesundheitsberichts 2014 die zeitnahe Erarbeitung oder Beauftragung sowie die Umsetzung eines Aktionsplans Jungen- und Männergesundheit durch das Bundesministerium für Gesundheit – wie er beispielhaft etwa in Irland durch Men’s Health Ireland fundiert und detailliert vorgelegt wurde.
Wir regen als einen ersten Schritt zur Weiterarbeit an, die bundesweit relevanten Akteure zu einer Tagung mit Umsetzungsperspektive im Bereich der jungen- und männerspezifischer Gesundheitsförderung und Prävention zu versammeln. Dort sollten u.a. Handlungsempfehlungen aus dem Männergesundheitsbericht 2014 abgeleitet werden, Perspektiven für deren Umsetzung diskutiert und an die jeweils Verantwortlichen im Gesundheitsbereich adressiert werden.
Außerdem regen wir die Einsetzung eines Beirats „Jungen- und männerspezifischer Gesundheitsförderung und Prävention“ beim Bundesministerium für Gesundheit an.
Für das Netzwerk Jungen- und Männergesundheit:
Thomas Altgeld, Johannes Balke, Prof. Dr. phil. Martin Dinges, Gunter Neubauer
Für das Bundesforum Männer:
Martin Rosowski, Vorsitzender, Hans-Georg Nelles, stellvertretender Vorsitzender,
Stephan Buttgereit, stellvertretender Vorsitzender